Präsidentenwahl im Iran: Chance auf Wandel?
In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im Iran hat der einzige Kandidat aus dem eher moderaten Lager, Massud Peseschkian, mit rund 42,5 Prozent die meisten Stimmen erhalten. Auf dem zweiten Platz folgt der Hardliner Said Dschalili mit rund 38,7 Prozent. Am 5. Juli entscheidet die Stichwahl. Im Mai war der vorige Präsident Ebrahim Raisi bei einem Helikopter-Absturz ums Leben gekommen. Europas Presse ordnet ein.
Volk macht Führung einen Strich durch die Rechnung
Eine Schlappe für die Machthaber sieht Politologe Grigori Golossow auf Facebook:
„Iran hat gezeigt, dass Wahlen mit beschränkter Auswahl, aber ehrlicher Auszählung zu Ergebnissen führen können, die nicht der autoritären Norm entsprechen. Man könnte in guter russischer Tradition behaupten, der Sieg des 'Reformers' Peseschkian in der ersten Runde sei 'abgekartet', aber kein ernsthafter Iran-Analyst hat so etwas erwartet. Ich gehe davon aus, dass die herrschende iranische Geistlichkeit keinerlei Anlass hatte, sich mit Peseschkian abzusprechen. Alle haben erwartet, dass der 'konservative' Dschalili auf den ersten Platz kommt und mit ihm ein anderer 'Konservativer' in die zweite Runde einzieht. Die Wähler waren anderer Meinung.“
Demokratische Kraft unter der Oberfläche
The Irish Times sieht den Wunsch nach Veränderung heranreifen:
„Trotz der geringen Wahlbeteiligung erhielt Peseschkian, der sich für eine Wiederaufnahme der Gespräche mit den USA über das mit Sanktionen belegte iranische Atomprogramm ausgesprochen hat und für eine Lockerung der Hidschab-Pflicht eintritt, starke 42 Prozent (10,4 Millionen Stimmen). ... Ein Sieg der Reformer würde den Iran nicht über Nacht verändern. Aber selbst wenn Peseschkian nicht gewinnt, ist die Wahl doch ein bedeutender Tropfen auf dem heißen Stein. Unter der Oberfläche wächst ein neuer, demokratischer Iran heran. Seine Zeit könnte bald kommen.“
Westen muss Druck erhöhen
Von außen zuschauen und hoffen reicht dem Spiegel nicht:
„Das iranische System lässt sich nicht von innen heraus verändern. Es braucht Druck von außen. ... Wer den Wandel fördern möchte, sollte die Elite der Islamischen Republik ins Visier nehmen. Dabei reicht es nicht, Sanktionen zu verhängen, sie müssen auch implementiert werden. Das lasche Sanktionsregime des Westens wird in Iran als Schwäche gelesen. In der Islamischen Republik versteht man jedoch vor allem eine Politik der Stärke. Wenn am 5. Juli wieder ein Großteil der Iranerinnen und Iraner seine Stimme verweigert und damit seinen Protest gegen das Regime ausdrückt, sollte der Westen dieses Signal verstehen – und der iranischen Bevölkerung den Rücken stärken.“