Kann sich das Baltikum mehr Verteidigung leisten?
Angesichts ihrer Nähe zu Russland drängen die baltischen Staaten auf eine Verstärkung ihrer Verteidigungsfähigkeit. Estland investiert in die Modernisierung seiner Streitkräfte, Lettland setzt auf den Ausbau der militärischen Infrastruktur und debattiert die Wehrpflicht für Frauen. Litauen will die Ausgaben für Verteidigung auf über 3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung steigern. Zwiegespaltene Reaktionen.
Litauen muss mehr tun
Teodoras Žukas, Leiter des christlich-konservativen Think-Tanks Institute of European Right (IER), warnt in Valstybė vor realen Gefahren für den litauischen Staat:
„Es ist an der Zeit, die Verteidigung des Landes ernst zu nehmen. ... In den kommenden Jahren steht Litauen vor der entscheidenden Herausforderung, seine Verteidigungsfähigkeiten grundlegend umzugestalten und auf ein höheres und umfassenderes Niveau zu heben. Dazu gehören die Stärkung der litauischen Streitkräfte, die Schaffung eines funktionierenden Verteidigungsmodells, die Intensivierung des Nato-Engagements und eine engere Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten. Experten sind sich einig: Die Kriegsgefahr an der Ostflanke der Nato bleibt hoch. Russland rüstet weiter auf und Belarus bleibt eine Bedrohung.“
Von Aufrüstung besessen
Dem Politologen Kęstutis Girnius wird es in Delfi zu viel:
„Die litauischen Politiker sind von Waffen besessen, vielleicht träumen sie sogar davon. Sie tun so, als ob feindliche Horden bereits in Richtung Litauen marschieren, sodass alles der Verteidigung gewidmet werden muss. Auf der anderen Seite scheinen sie davon überzeugt zu sein, dass Litauen ein wohlhabender Sozialstaat ist, ein zweites Luxemburg, und die Bedürfnisse seiner Bürger so tadellos erfüllt werden, dass es keiner zusätzlichen Mittel bedarf. Deshalb haben Waffen Priorität – Waffen, Waffen über alles.“
Irgendwo muss dann gekürzt werden
Neatkarīgā analysiert die Lage in Lettland, wo gerade der Staatshaushalt 2025 verhandelt wird:
„Die Prioritäten der Regierung sind bereits festgelegt: nationale Sicherheit und Verteidigung. Es ist nicht zu erwarten, dass von dieser Priorität abgewichen wird. ... Aber wenn der 'fiskalische Spielraum' gering ist, ergibt sich die nächste Schlussfolgerung von selbst: Die Mittel müssen irgendwo gekürzt werden. Alternative: Mehr Steuern erheben. ... Die gesamte Finanzpolitik von Vienotība [der größten Regierungspartei] und ihren Vorgängern war von Anfang an recht einfach. Braucht man Geld, nimmt man es von jenen, von denen es leicht zu bekommen ist. Von der Bevölkerung. Von jenen, die kurz jammern werden, dann aber mit zusammengebissenen Zähnen durchhalten.“
Mangel an guten Ideen
Unter anderem um die Verteidigungskosten zu decken, plant die estnische Regierung neue Steuern. Postimees hält nichts davon:
„Die Regierung, die auf steuerpolitische Maßnahmen drängt, scheint immer noch von einem Mangel an guten Ideen geplagt zu sein. Sie zeichnet sich durch die Unfähigkeit aus, bei der Reform des Steuersystems die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Zuerst gab es die Erhöhung der Mehrwertsteuer, jetzt gibt es Pläne, den Unternehmen eine Gewinnsteuer aufzuerlegen. ... Erinnern wir uns jedoch daran, dass die Esten einst die Befreiung von der Einkommenssteuer auf nicht ausgeschüttete Gewinne der Unternehmen als eine der großen Errungenschaften der wiedererlangten Unabhängigkeit betrachteten.“