Paralympics: Was folgt auf den Applaus?
Mit einer rauschenden Party sind in Paris die Paralympischen Spiele beendet worden. "Auf Wertschätzung und Beifall müssen nun Akzeptanz und Handeln folgen", sagte der Präsident des Paralympischen Komitees, Andrew Parsons. In Europas Kommentarspalten wird ihm beigepflichtet – und darauf verwiesen, womit begonnen werden sollte.
Revolution wünschenswert
Der Tagesspiegel hofft, dass die Spiele eine nachhaltige Wirkung haben werden:
„Paris hat einen nie dagewesen Leistungssprung erlebt, der weit über die Wettkampfplätze hinaus elektrisiert und die Spiele neu dimensioniert hat. Offen bleibt, inwieweit Sport und Politik dieses Momentum nutzen. Um bei kommenden Europa- und Weltmeisterschaften, die außerhalb der Marke 'Paralympics' laufen, für volle Ränge zu sorgen. Um Inklusion voranzutreiben. Um auch, ganz praktisch, den Breitensport inklusiver zu gestalten. Wenn Menschen mit Behinderung weltweit Zugänge zum Sport erhalten, wäre das einerseits eine Selbstverständlichkeit, andererseits aber tatsächlich auch das: revolutionär.“
Möge die Veränderung beginnen
Die Paralympics sollten der Startschuss für Verbesserungen auf vielen Ebenen sein, fordert La Croix:
„Damit die bei diesen Spielen geweckten Hoffnungen nicht wie ein Soufflé zusammenfallen, liegt es an jedem von uns, den Staffelstab zu übernehmen. ... Und durch unsere alltäglichen Gesten sowie durch staatliche Maßnahmen dazu beizutragen, das Leben der Menschen konkret zu verändern: im Verkehr und in der Schule, beim Arztbesuch und im Fitnessstudio, um die Hürden bei Bewerbungsgesprächen zu überwinden... Es wird Zeit brauchen, aber nach diesen bezaubernden zwei Wochen kann nun alles beginnen.“
Ungerechtigkeit beginnt in der Schule ...
Tygodnik Powszechny wünscht sich ein Umdenken beim Schulsport:
„Die polnischen paralympischen Athleten haben in den vergangenen Jahren bei den Medaillenwertungen gut abgeschnitten, oft besser als unsere Vertreter bei den klassischen Spielen. ... Das Problem ist, dass sich die Leistungen der polnischen paralympischen Sportler nicht unbedingt auf den Sport für Schüler mit Behinderungen übertragen. Sehr oft werden sie einfach von der Teilnahme am Sportunterricht befreit. Daher realisiert das Polnische Paralympische Komitee ein Pilotprojekt zur Weiterbildung von Sportlehrern, damit der Unterricht für alle zugänglich wird.“
... und endet bei ungleicher Belohnung für Medaillen
24.hu findet es ungerecht, dass der ungarische Staat die Paralympioniken mit geringeren Prämien abspeist:
„Wenn es etwas gibt, das eine im progressiven Sinne wertvolle Botschaft für die Gesellschaft in Bezug auf den Spitzensport hätte, dann ist es die Abschaffung dieser Art von sehr direkter, schmerzhaft eindeutiger und sogar quantifizierbarer Diskriminierung zwischen Olympioniken und Paralympioniken. ... Doch das tut [der Staat] nicht, sondern er stellt sogar durch das Belohnungssystem fest, dass für ihn – und dadurch für die Gemeinschaft der Steuerzahler – die Erfolge eines Paralympioniken nur halb so viel wert sind wie die eines Olympioniken.“
Jubel soll auch die Inklusion anfeuern
Die Paralympics-Euphorie kann helfen Hürden zu überwinden, so La Croix:
„Natürlich könnte man die Widersprüche aufzeigen zwischen unserer sich für die Paralympics begeisternden Gesellschaft und den gravierenden Schwächen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. So war trotz einiger Fortschritte die Barrierefreiheit der Transportmittel zu den Wettkampfstätten begrenzt, während [das Vereinsnetzwerk für Menschen mit Behinderungen] Unapei in dieser Woche davor gewarnt hat, dass Tausende von Kindern zu Schuljahresbeginn keinen Zugang zu einer geeigneten Schulbildung haben werden. ... Wir sollten uns trotzdem nicht geschlagen geben. Lasst uns über die Paralympics genauso jubeln wie über die Olympischen Spiele und diesem Elan die Chance geben, uns zu noch mehr Inklusion zu bewegen.“
Hier ergibt Sportförderung wirklich Sinn
Öffentliche Fördergelder sind bei Athleten mit Behinderung gesellschaftlich viel sinnvoller angelegt, schreibt Expresso:
„Alle vier Jahre stellen wir [bei Olympia] fest, wie wenig wir in andere Sportarten als Fußball investieren. Dann beschweren wir uns, dass der Staat die Athleten nicht unterstützt und dass wir bei so geringen Investitionen keine Medaillen von ihnen erwarten können. ... Die Investition in die Paralympics ist vom gesellschaftlichen Nutzen her viel wichtiger als die Investition in die Olympischen Spiele. Öffentliche Gelder, die für den Sport von Menschen mit Behinderungen ausgegeben werden, sind viel nützlicher als Medaillen, die nur für ein paar Tage unser Ego streicheln.“
Name der Türkei vergoldet
Nach einer für die Türkei eher erfolglosen Olympiade jubelt Posta über die Siege bei Paralympics:
„Nach zwei Goldmedaillen, die wir in Tokio 2020 gewonnen haben, sind die drei Gold-, fünf Silber- und zwei Bronzemedaillen, die wir in den ersten drei Tagen von Paris 2024 gewonnen haben, ein Zeichen für die Entwicklung der Türkei im paralympischen Sport. Diese Erfolge, die unsere Athleten mit ihrer Entschlossenheit, ihrem Willen und ihrem nationalen Geist erzielt haben, sind erst der Anfang. ... Unendlicher Dank gilt unseren Athleten, die die Urheber dieser Erfolge sind, und allen, die dazu beigetragen haben. Unsere Athleten werden den Namen der Türkei weiterhin in goldenen Buchstaben schreiben.“