US-Präsident Biden auf Abschiedsbesuch in Berlin
Mit einwöchiger Verspätung weilt Joe Biden auf Staatsbesuch in Deutschland. Im Gespräch mit Bundeskanzler Scholz soll es vor allem um die Kriege in der Ukraine und Nahost gehen. Zudem wird der scheidende US-Präsident mit dem höchsten deutschen Verdienstorden geehrt. Auch Europas Presse sieht Gründe, Biden zu loben, doch der ausgefallene Ukraine-Gipfel in Ramstein gibt immer noch zu denken.
Letztes Bekräftigen einer gefährdeten Partnerschaft
Bidens Besuch in Berlin soll Verlässlichkeit vermitteln, so Irish Independent:
„Joe Biden kommt in der Hoffnung nach Deutschland, sein Vermächtnis in Bezug auf die Beziehungen mit Europa abzusichern. Es wird seine letzte große Auslandsreise im Amt sein. Er will die Grundlagen für Partnerschaften und Vereinbarungen festigen, die gefährdet sein könnten, sollte Donald Trump die Wahl im kommenden Monat gewinnen. Dass Bidens Ansehen seit seinem späten Rückzug aus dem Rennen um das Weiße Haus 2024 gesunken ist, lässt sich kaum leugnen. Er kann jedoch mit einiger Berechtigung behaupten, eine Koalition zusammengehalten zu haben, indem er sich für Demokratie und gegen die totalitäre Bedrohung durch Wladimir Putin stark machte.“
Ohne ihn hätte Kyjiw schon verloren
Das Handelsblatt würdigt die Leistung Bidens:
„Kaum ein US-Politiker verkörpert die Erinnerung an bessere Zeiten des transatlantischen Verhältnisses mehr als er, der einen Großteil seiner politischen Sozialisation im Kalten Krieg erfahren hat. Tatsächlich hat der scheidende Präsident sich redlich bemüht und ohne Frage einiges erreicht. Ohne sein Engagement innerhalb der westlichen Allianz gegen den Aggressor Russland wäre die Ukraine wahrscheinlich längst verloren. Die Absage des so wichtigen Ramstein-Gipfels, weil Biden wegen der Hurrikane nicht teilnehmen konnte, zeigt einmal mehr: Vor allem sicherheitspolitisch ist und bleibt Amerika aus europäischer Sicht das Maß aller Dinge, bleibt Amerika die unverzichtbare Nation.“
Ukraine in der Priorität herabgestuft
Radio Kommersant FM deutet den Kurzbesuch als Zeichen für eine nachlassende Unterstützung Washingtons für Kyjiw:
„US-Präsident Joe Biden fliegt nun doch nach Deutschland, um das diplomatische Vakuum zu füllen, das letzte Woche entstanden war. Er hat dieses Vakuum selbst geschaffen, als er seinen Deutschland-Besuch, der Höhepunkt einer Reihe von Gipfeltreffen zur westlichen Ukraine-Hilfe sein sollte, buchstäblich in letzter Minute absagte. ... Anstelle eines der Ukraine gewidmeten diplomatischen Mega-Marathons wird es einen bescheidenen, heimeligen Abschiedsbesuch bei einem wichtigen europäischen Verbündeten geben - nichts weiter. Auf diese Weise zeigt Washington, welchen Platz Kiew in seiner Prioritätenskala heute tatsächlich einnimmt.“