Gülen: Was ändert der Tod des Erdoğan-Gegners?
Der Prediger Fethullah Gülen ist gestorben. Der Begründer der Hizmet-Bewegung galt seit 2013 als gewichtiger Gegenspieler des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Seine Bewegung gründete schon in den 1960er Jahren Bildungsstätten in der Türkei, viele der Anhänger stiegen später in den Staatsdienst auf. Aufgrund eines Gerichtsverfahrens gegen ihn verließ Gülen 1999 die Türkei und lebte seitdem in den USA.
Säkularismus und Islam
Ein Alleinstellungsmerkmal Gülens beschäftigt NRC:
„Während viele islamistische politische Bewegungen ausgesprochen anti-westlich und anti-kapitalistisch waren, profilierte sich Gülen gerade als pro-westlich und pro-Israel. Das war nicht nur purer Opportunismus. Inspiriert von dem sufistischen [Gelehrten Said] Nursî predigte er eine Verbindung des säkularen und religiösen Lebens. Gülen sagte einmal im türkischen Fernsehen, dass 'die republikanische Ordnung und der Säkularismus, wenn sie perfekt umgesetzt sind, ein Geschenk Gottes sind'.“
Totale Repression nach dem Putschversuch
De Standaard blickt zurück auf die Folgen des Staatsstreichs von 2016:
„Erdoğan ließ zehntausende Beamte wegen ihrer Verbindung zu Gülen entlassen. Mehr als elf Milliarden Dollar wurden beschlagnahmt. Das Regime sah jedes Mitglied (zu unrecht) als schuldig an. Doch die Repression hat antidemokratische, sektiererische Gruppen nicht aus der Politik ferngehalten. Erdoğan nahm der Gülen-Bewegung alles. Aber deren urkonservative Konkurrenten, wie die Suleymanci-Bewegung, haben in den vergangenen Jahren im Bildungssystem und in den Behörden an Bedeutung gewonnen.“
Ohne Anführer stirbt auch die Organisation
Die Lesart der türkischen Regierung veröffentlicht die AKP-nahe Tageszeitung Star:
„Die Gülen-Bewegung zeigte ihr wahres Gesicht als Terrorganisation zum ersten Mal an jenem 17. Dezember [2013, das Jahr des Bruchs zwischen Erdoğan und Gülen, nachdem letzterer Tonbandaufnahmen zu einem mutmaßlichen Korruptionsfall veröffentlicht hatte]. Sie wagte es gar, Premier Erdoğan als Anführer einer kriminellen Organisation darzustellen! ... Diese tiefgreifende und breit gestreute Parallelorganisation innerhalb des Staates versuchte am 15. Juli [2016] einen Staatsstreich. Dabei wurden 251 Menschen brutal getötet. Sie profitierte von ausländischer Unterstützung. Der Staat durchlebte eine historische Bedrohung. Jetzt, da die Kultperson gestorben ist, wird auch die Organisation ihr Todesschicksal vollenden.“
Ankara kann Einfluss auf Sunniten ausbauen
Erdoğans internationale Position wird gestärkt, betont Eleftheros Typos:
„Die Stiftungen von Gülen in Europa, Amerika, Asien und Afrika propagierten einen gemäßigten, globalisierten Islam, der die türkische Diaspora und das breitere sunnitische Publikum spaltete und Erdoğans Pläne für ein neues Kalifat jenseits der Grenzen des 'Osmanischen Reiches' stark eindämmte. Jetzt, da der 'Dämon' aus dem Weg geräumt ist, kann das türkische Direktorat für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) ungehindert sein Programm umsetzen, um den religiösen Einfluss der Türkei mit mehr Moscheen, Imamen und islamischen Organisationen auszuweiten.“