Bulgarien-Wahl: Borissow vorn – wie weiter?
Zum siebten Mal seit 2021 hat Bulgarien ein neues Parlament gewählt. Wie im Juni erreichte die konservative Gerb von Bojko Borissow (26,4 Prozent) den Spitzenplatz vor der reformorientierten PP-DB (14,2 Prozent). Auf den Plätzen drei und vier folgen die rechtsextreme Wasraschdane (13,4 Prozent) und die DPS des umstrittenen Oligarchen Deljan Peewski (11,2 Prozent). Die Presse ahnt nichts Gutes.
Westausrichtung in Gefahr
Sofia könnte bald mehr Richtung Moskau schauen, meint Der Standard:
„Eine Partei, die bisher [als Koalitionspartner] ausgeschlossen war, ist die Partei für Rechte und Freiheiten [DPS] des Oligarchen und Medienmoguls Deljan Peewski: 2021 verhängten die USA Sanktionen gegen ihn, sein in den USA gelagertes Vermögen wurde beschlagnahmt. Peewski hofft allerdings, unter einer rechten, populistischen Trump-Regierung von der Sanktionsliste gestrichen zu werden. ... Falls Trump gewinnt, kommen für Borissow außerdem auch die Pro-Kreml-Parteien 'Wiedergeburt' [Wasraschdane], die rechte 'Größe' oder die Sozialisten infrage. Denn unter Trump wird es keinen Druck mehr aus Washington geben, die Westausrichtung Bulgariens strikt beizubehalten.“
Wider besseres Wissen
Der bulgarische Dienst der Deutschen Welle kommentiert ernüchtert:
„Eines der größten politischen Paradoxe der letzten Jahre besteht darin, dass fast jeder von der Korruption bestimmter Personen überzeugt ist, diese aber weiterhin Wahlen gewinnen. ... Einen der beiden Spitzenkandidaten [Deljan Peewski] finden laut Meinungsforschern nur etwa zwei Prozent der Bulgaren vertrauenswürdig, und er steht auf den offiziellen Sanktionslisten der USA und des Vereinigten Königreichs für korrupte Personen. Der andere [Bojko Borissow] steht noch nicht auf diesen Listen, wohl aber seine engen Vertrauten. ... Dass diese beiden Personen dennoch ein unverzichtbarer Faktor in der Politik sind, erklärt die Unfähigkeit der letzten Jahre, eine stabile Regierung zu bilden.“
Alles dreht sich um einen korrupten Oligarchen
Radio Europa Liberă schreibt:
„Zu großen Teilen hängt alles von einem einzigen Mann ab: dem kontroversen Medienmogul Deljan Peewski, der einen unglaublichen Einfluss auf die öffentliche Meinung hat. ... Die Mehrheit der bulgarischen Politiker würde wohl zustimmen, dass Peewski der Hauptverantwortliche für die aktuelle politische Krise ist. ... Bojko Borissow hat erklärt, er wolle mit der pro-europäischen, reformorientierten PP-DB zusammenarbeiten – das würde wohl auch aus der politischen Sackgasse führen. Doch die PP-DB will nur mit der Gerb kooperieren, wenn Peewski keinerlei Einfluss auf die künftige Regierung hat. Borissow wurde mehrfach beschuldigt, sehr enge Beziehungen zu Peewski zu haben, der für viele Bulgaren das Sinnbild für Korruption und organisiertes Verbrechen im Land ist.“
Blockade hat schwerwiegende Folgen
Bulgarien kann sich das Dauerwählen nicht länger leisten, betont G4Media.ro:
„Wegen der politischen Krise, die ausländische Investoren besorgt, wurden Reformen zur Korruptionsbekämpfung ebenso wie die Energiewende auf Eis gelegt. Auch droht, dass EU-Mittel in Höhe von Milliarden Euro nicht ausgezahlt werden. Die Lage hat zugleich dazu geführt, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone und der vollständige Beitritt zum Schengen-Raum verschoben wurden. Und was die Kosten zur Organisation der sieben Wahlen angeht: Die belaufen sich inzwischen auf über 300 Millionen Euro.“