Sturzflut in Spanien: Warum so viele Opfer?

Extreme Regenfälle haben Teile der ostspanischen Region Valencia und weitere Gebiete verwüstet: Stellenweise fiel in kurzer Zeit die Jahresnorm an Niederschlägen. Bisher wurden mehr als 150 Todesopfer gezählt. Ausgelöst hat die Katastrophe ein als "Kaltlufttropfen" oder "isoliertes Höhentief" bekanntes Wetterphänomen. Kommentatoren klagen Versäumnisse an.

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El Mundo (ES) /

Eine ganze Gesellschaft erschüttert

El Mundo findet, die EU solle helfen:

„Die Betroffenen brauchen Unterstützung, von psychologischer Hilfe bis hin zu einer Unterkunft. ... Etwa 366.000 Menschen sind ohne Trinkwasser und mehr als 113.000 ohne Strom: Sie gehen kilometerweit zu Fuß, um sich mit grundlegenden Gütern zu versorgen. Es drängt sich die Frage auf, ob die Regierung nicht die Europäische Union bitten sollte, die Solidaritätsklausel zu aktivieren, die es den Mitgliedsstaaten erlaubt, gemeinsam und schnell zu handeln, um einem anderen Land zu helfen. Keine Hilfe darf vernachlässigt und keine Anstrengung gescheut werden: Eine ganze Gesellschaft ist erschüttert worden.“

Postimees (EE) /

Was andere Länder davon lernen sollten

Postimees sieht auch eine Lehre für Estland:

„Das letzte Mal, dass dieses Phänomen in der Region Valencia Überschwemmungen verursachte, war im September 2019, es ist also kein unbekanntes Phänomen, nur das Ausmaß war unerwartet. Umso mehr Grund, den betroffenen Diensten und Behörden vorzuwerfen, dass sie nicht schnell genug gewarnt haben. Mancherorts sahen die Menschen die Evakuierungswarnungen erst auf ihren Handys, als das Wasser auf der Straße bereits ihre Autos weggespült hatte. Dies ist auch eine Lektion für Estland: Investitionen in den Katastrophenschutz sind niemals töricht oder unnötig.“

eldiario.es (ES) /

Vom Menschen verschuldete Todesfälle

Eldiario.es fordert tiefgreifende Konsequenzen:

„Wenn man weitere Todesfälle durch extreme Wetterphänomene verhindern will, sind gesellschaftlicher Wandel und ein anderes Wirtschaftsmodell erforderlich. ... Denn der Klimanotstand hat Verantwortliche. ... Viele Regierende haben eine unkontrollierte Stadtentwicklung zugelassen. ... In den Provinzen Valencia, Alicante und Murcia sind 280.000 Häuser in überschwemmungsgefährdeten Gebieten gebaut worden. ... Die Toten, die durch den bisher schlimmsten Kaltlufttropfen des Jahrhunderts verursacht wurden, stehen bereits auf der Liste jener Menschen, die niemals hätten sterben dürfen.“

El País (ES) /

Warnungen werden in den Wind geschlagen

El País fragt sich, warum im betroffenen Gebiet niemand auf den Wetterdienst gehört hat:

„Während noch Leichen geborgen und Opfer versorgt werden, ist nicht der Moment, um Rechenschaft zu fordern. Aber man kann analysieren, wie ein angekündigtes Phänomen in einer Region mit einer tragischen Überschwemmungsgeschichte zu solch erschreckenden Folgen führen kann. ... Die Warnungen des staatlichen Wetterdienstes müssen beachtet werden. Dieser warnte bereits am Dienstagmorgen vor extremem Risiko. Das hätte alle nicht lebensnotwendigen Aktivitäten stoppen müssen. ... Das Leben ging aber ganz normal weiter, bis es durch die Überschwemmungen dramatisch unterbrochen wurde.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Politik in die Verantwortung nehmen

Bestürzt fragt El Periódico de Catalunya:

„Warum wurden die Warnprotokolle nicht viel früher aktiviert? Es ist inakzeptabel, dass wir im 21. Jahrhundert genau den gleichen Schrecken wie 1957 erlebt haben, und zwar mit dem gleichen Mangel an offiziellen Informationen. Wie kann es sein, dass der valencianische Ministerpräsident erst um 21 Uhr in Erscheinung tritt, wenn alle Zufahrten bereits verstopft sind, sich Dutzende von Autos stapeln, die Kommunikation schwierig ist und die Menschen eingeschlossen sind? ... Diese Erfahrung der Hilflosigkeit, der Improvisation, des Unverständnisses und der Angst könnte dazu dienen, die Protokolle zu verbessern. ... Dazu muss man sich ehrlich bewusst machen, was passiert ist, Erklärungen finden und politische Verantwortung übernehmen.“

Avvenire (IT) /

Klimaschutz global finanzieren

Avvenire hofft auf konkrete Schritte zum Klimaschutz durch die anstehende Weltklimakonferenz in Aserbaidschan:

„Die Lösungen sind vorhanden, man muss nur den politischen Willen haben, sie umzusetzen. Der Prüfstein wird die Cop29 sein, die am 11. November in Baku eröffnet wird und in deren Mittelpunkt eine grundlegende Frage steht: die Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation. Insbesondere die Finanzierung der Energiewende, für die Investitionen in Höhe von 35 Milliarden Dollar erforderlich sind, nachdem auf dem letzten Gipfel in Dubai ein historischer Durchbruch erzielt wurde, der das 'Ende des fossilen Zeitalters' einleitete. Damit dies auf globaler Ebene geschehen kann, ist eine massive Unterstützung des globalen Südens erforderlich“

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Mediapart (FR) /

Uns straft der Kapitalismus, nicht die Umweltpolitik

Anstatt Umwelt- und Klimaschutz zu verstärken, kehrt die Politik derzeit zur Förderung fossiler Energien zurück, kritisiert Mediapart:

„Die Europäische Union, die immer der ehrgeizigste Teilnehmer bei den internationalen Diplomatentreffen war, verzeichnet ein Erstarken der konservativen und radikalen Rechten, die die Umsetzung des Green Deals bedrohen, des Fahrplans zur Verlangsamung der Klima-Entgleisung bis 2050. … Es gibt Zeichen eines sich vollziehenden Backlashs im Bereich der Politik für die Ökowende, die im Namen von Haushaltseinsparungen und 'strafendem Umweltschutz' geopfert wird. ... Doch angesichts des sich intensivierenden Klimachaos kann diese politische Inkonsequenz nur schwer kaschieren, dass das Strafende der Kapitalismus ist.“