Baerbock und Barrot in Syrien: Wie war die Reise?

Vier Wochen nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sind Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot nach Damaskus gereist, um die Beziehungen zwischen EU und Übergangsregierung auszubauen. Der neue Machthaber, HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa, hatte zuvor erklärt, dass das Land vier Jahre brauche, um die Voraussetzung für freie Wahlen zu schaffen.

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Corriere della Sera (IT) /

Auge zudrücken oder klares Zeichen setzen

Den Umstand, dass Sharaa zur Begrüßung zwar Barrot die Hand gab, nicht aber Baerbock, kommentiert Corrriere della Sera:

„Noch wissen wir nicht, ob das vom deutsch-französischen Doppel vertretene Europa diese geschlechtsspezifische Diskriminierung als vernachlässigbaren, folkloristischen und letztlich verzeihlichen Ausdruck von Sitten und Gebräuchen, die sich von den unsrigen unterscheiden, betrachten wird. ... Oder ob es die (gescheiterte) Geste gerade als Verrat an den 'klaren Erwartungen' betrachten wird, mit denen die deutsche Ministerin erklärt hatte, ihre diplomatische Reise anzutreten. Ob Europa also ein Auge zudrückt oder ob es den neuen Herren Syriens klarmacht, dass sie sich nicht weigern können, Frauen die Hand zu geben, wenn sie unsere Hilfe in Anspruch nehmen wollen.“

Le Temps (CH) /

Demut statt Moralpredigten

Die Europäer sollten ihre Haltung gegenüber Syrien korrigieren, drängt Le Temps:

„Der neue starke Mann in Damaskus hat vier Jahre gefordert, bevor Wahlen durchgeführt werden. Eine Ewigkeit, die zweifelsohne inakzeptabel ist, selbst in diesem Land, wo alles aufzubauen ist. Will Europa sich jedoch nützlich zeigen, muss es Demut an den Tag legen und seinen Anteil an Verantwortung für die schreckliche Tragödie anerkennen, welche die Syrer durchlebt haben. In diesem äußerst komplexen syrischen Puzzle kann der Kontinent nur profitieren, wenn er der doppelten Versuchung von Herablassung und Moralisierung widersteht, die bei seinen beiden Repräsentanten in Damaskus manchmal zu erahnen war.“

Naftemporiki (GR) /

Wenig zu melden

Naftemporiki analysiert:

„Die Frage ist, wie ernst die neuen Machthaber in Damaskus eine deutsche Außenministerin nehmen, die wohl nur noch ein paar Wochen an der Macht sein wird und von einem Kollegen begleitet wird, der ganz frisch im Amt ist und dessen Land, Frankreich, in Ungewissheit gestürzt ist. ... Die beiden von der EU zuerst geschickten Minister hatten weder Geld noch konkrete Hilfszusagen im Gepäck. Weder sie noch Brüssel haben Macht oder Mittel, Druck auf die dschihadistische Führung auszuüben. ... Die Reise-Prioritäten des syrischen Außenministers zeigen, wer das am ehesten könnte: Zuerst besuchte dieser nicht Brüssel, Berlin oder Paris, sondern Riad und Ankara – zwei Länder, die seit Jahren dschihadistische Rebellen unterstützen.“