Zum Tod von Jean-Marie Le Pen
Jean-Marie Le Pen ist am Dienstag mit 96 Jahren verstorben. Er hatte 1972 den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Front National gegründet, die Vorgängerpartei des heutigen Rassemblement National, und 2002 die Stichwahl um die französische Präsidentschaft erreicht. 2011 übergab er den Parteivorsitz an seine Tochter Marine. Was ist außer dem Namen Le Pen von ihm geblieben?
Ein untragbarer Extremist
Jean-Marie Le Pen darf nicht verklärt werden, fordert Le Temps:
„Der RN steht in Frankreich so nahe an der Macht wie nie zuvor. In einem Land, das sich in einer anhaltenden politischen Krise befindet, könnte er jederzeit zum Sturz der Regierung von François Bayrou beitragen, so wie er es zuvor bei Michel Barnier getan hat. In wenigen Tagen wird Trump erneut als Präsident der USA vereidigt. In Österreich wurde die rechtsextreme FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt, in Italien regiert Giorgia Meloni, und in Deutschland wird bei den Bundestagswahlen im Februar ein Durchbruch der AfD erwartet. ... Dennoch sollten wir keine voreiligen Schlüsse aus diesen sehr unterschiedlichen Kontexten ziehen. Jean-Marie Le Pen war ein untragbarer Extremist und muss als solcher in Erinnerung bleiben.“
Der Patriarch geht, sein Gedankengut bleibt
Le Pen stand und steht für die Ideologie der französischen Rechten, erörtert La Stampa:
„Seit 2019 hatte er kein Wahlmandat mehr. Und vor fast zehn Jahren war er auf Betreiben seiner Tochter Marine aus dem Front National (der 2018 in Rassemblement National umbenannt wurde) ausgeschlossen worden. ... Doch die Figur Jean-Marie Le Pen blieb im französischen Panorama präsent. ... Nicht nur, weil er es – 2002 gegen den Gaullisten Jacques Chirac – als erster Vertreter der extremen Rechten in die Stichwahl der Präsidentschaftswahlen schaffte. Sondern auch, weil seine Ideen mit dem RN, der bei der ersten Runde der Parlamentswahl im Juni mit über 33 Prozent der Stimmen zur stärksten Partei geworden ist, weiter an die Türen der Macht klopfen.“
Die Legendenbildung läuft schon
Der RN inszeniert Le Pens Tod zu seinen Gunsten, analysiert Le Quotidien:
„Marine Le Pen betont unermüdlich, dass ihre Partei nicht rechtsextrem sei und mit der Vergangenheit des Front National gebrochen habe. … Doch beim Lesen der Nachrichten, die von den Abgeordneten ihrer Partei veröffentlicht wurden, um Jean-Marie Le Pen zu ehren, fallen die Masken. … Für den Rassemblement National ist Jean-Marie Le Pen tot nützlicher als lebendig. Die Anhänger und gewählten Vertreter der Partei beginnen bereits mit einer umfassenden Legendenbildung um dieses politische Monster: 'mutiger Soldat', 'engagierter Abgeordneter', 'Verteidiger Frankreichs' – 'allein gegen alle anderen'. ... Seine Geschichte ist schrecklicherweise deutlich düsterer, aber die Propagandamaschine wird bald anlaufen.“