Estland: Bald fünf Prozent des BIP für Verteidigung?
Estlands Premierminister Kristen Michal will die Verteidigungsausgaben seines Landes auf fünf Prozent des BIP erhöhen, wie US-Präsident Trump es von allen Nato-Staaten fordert. Mit den bisher geplanten 3,7 Prozent ab 2026 gehört Estland bereits jetzt zu den Spitzenreitern in diesem Bereich. Kommentatoren debattieren, ob das Fünf-Prozent-Ziel sinnvoll ist und wie es erreicht werden könnte.
Unumgängliche Notwendigkeit
Wirtschaftswissenschaftler Heido Vitsur hält in Eesti Päevaleht die Erhöhung der Verteidigungsausgaben für geboten und vorteilhaft:
„Es besteht kein Zweifel, dass wir in der gegenwärtigen geopolitischen Lage unsere Verteidigungsausgaben auf die erforderlichen fünf Prozent des BIP erhöhen müssen. Dies ist schließlich eine Voraussetzung dafür, dass wir mit der notwendigen Unterstützung der Vereinigten Staaten für unsere Verteidigung rechnen können. ... Die Schlüsselfrage ist hier natürlich das Vorhandensein oder Fehlen einer einheimischen Rüstungsindustrie. ... Verfügt ein Land über eine wettbewerbsfähige Verteidigungsindustrie, so bedeutet eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben bessere globale Absatzmöglichkeiten, Einnahmen und letztlich ein höheres Wirtschaftswachstum.“
Die Großen in der EU müssen mitziehen
Kolumnist Mart Soidro zeigt in Õhtuleht mit dem Finger auf andere europäische Staaten:
„Ich bestreite nicht, dass die Verteidigungsausgaben erhöht werden müssen, aber die Art und Weise, wie dies geschieht, ist lächerlich. ... Wir erwarten von Estland, dass es seine Verteidigungsausgaben jährlich um 500-600 Millionen Euro erhöht, aber wenn die europäischen Großmächte es nicht einmal schaffen, sie auf zwei Prozent zu erhöhen, dann werden unsere Bemühungen zu kurz greifen. Mit unseren mageren Arsenalen werden wir Russland nicht entmutigen. Bislang haben nur zwei Drittel der Nato-Staaten zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben erreicht. Sollte Russland uns allerdings angreifen, können wir uns zumindest damit trösten, dass wir unser Bestes getan haben.“
Selbst für die USA ist das zu viel
Corriere della Sera schreibt mit Bezug auf US-Präsident Trump:
„Was uns vielleicht am meisten beunruhigt, ist die Drohung, den Ländern, die ihre Verteidigungsausgaben nicht erhöhen, den US-amerikanischen militärischen Schutz zu entziehen. Trump hat auch eine Schwelle genannt, die für alle 32 Nato-Partner gelten soll: fünf Prozent des BIP. Viele Regierungen auf dem Alten Kontinent, darunter auch die italienische Regierung, haben bereits öffentlich erklärt, dass dies für sie ein unerreichbares Ziel sei. Eine gemeinsame Erklärung hat es bisher noch nicht gegeben. Die fünf Prozent sind jedoch selbst für die Vereinigten Staaten unhaltbar.“