Bundestagswahl: Was sind die ersten Erkenntnisse?
Die Union (CDU/CSU) mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist bei der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag mit 28,5 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden. Obwohl die bisherige Kanzlerpartei SPD auf einen historischen Tiefstand von 16,4 Prozent abrutschte, ist damit eine große Koalition der beiden Parteien möglich. Platz zwei belegte die rechtspopulistische AfD (20,8%), die Grünen erreichten 11,6 Prozent und die Linke 8,8.
Regieren wird eine kleine Koalition
Der Weg zu einer großen Koalition aus Union und SPD ist frei, kommentiert Club Z:
„Das Gute daran ist, dass eine Zweiparteienkoalition von beiden Parteien gewünscht wird, so dass sie schnell zustande kommen kann. Sie wird schneller Entscheidungen treffen können und weniger Kompromisse eingehen müssen. Die Ampelkoalition scheiterte gerade an ihrer Trägheit. Die schlechte Nachricht ist, dass die große Koalition eigentlich eine kleine Koalition sein wird – sowohl die CDU als auch die SPD haben historisch schlechte Ergebnisse erzielt und werden [wegen der dafür nötigen Zweidrittelmehrheit] die Unterstützung der anderen Parteien im Bundestag brauchen, wenn sie zum Beispiel das Grundgesetz ändern, die Schuldenbremse reformieren oder Nothaushalte beschließen wollen.“
Die AfD lauert
Die große Aufgabe von Christ- und Sozialdemokraten wird darin bestehen, die Kunst des Kompromisses wiederzuentdecken, meint Respekt:
„Denn wenn das nicht klappt und das nächste Kabinett genauso heftig in der Öffentlichkeit streitet wie das letzte, wird auch der Widerwille der Wähler gegenüber der gesamten politischen Elite zunehmen. Und damit auch die Aussichten einer Partei, die in erbitterter Opposition zum gesamten System steht: der AfD. Sie verdoppelte ihre Stimmenanteile und war damit die Hauptsiegerin der Wahl. ... Bisher will wegen ihrer extremen Positionen niemand mit der AfD regieren. Aber wenn aus den Verhandlungen keine funktionierende Koalition hervorgeht, kann diese rechtsextreme, pro-russische Partei 2029 leicht den ersten Platz ins Visier nehmen.“
Erstaunliche Wiedergeburt der Linken
Sme findet das überraschend gute Abschneiden der Linken besonders erwähnenswert:
„Die Linke konnte mobilisieren. Dazu trugen auch die Auftritte der charismatischen Führungsfiguren Heidi Reichinnek und Ines Schwerdtner in den sozialen Netzwerken bei, in denen sie die CDU dafür kritisierten, mit Extremisten zu stimmen. Und sie setzten klare Prioritäten: der Kampf gegen soziale Ungleichheit, die Besteuerung der Reichen, die Senkung der Mietpreise und die Vergünstigung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Strategie der Partei ging vor allem bei jungen Wählern auf: In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen belegte die Linke mit 25 Prozent Unterstützung den ersten Platz. Sie übertrafen ihren größten Gegner – die AfD – um vier Prozentpunkte.“
Vertrauen ins System steht auf dem Spiel
Friedrich Merz wird in den nächsten vier Jahren auch die Aufgabe haben, die liberale Demokratie zu verteidigen, schreibt Der Spiegel:
„Scheitert er, dann war es das vermutlich. Dann wird die AfD bei der nächsten Wahl noch einmal stärker, womöglich sogar stärkste Kraft. Die Aufgabe des Kanzlers Merz wird es sein, das Vertrauen in die politische Mitte wiederherzustellen und mehr noch: in das System an und für sich, in die Überlegenheit der liberalen Demokratie gegenüber autoritären Ansätzen. Vor einer größeren Aufgabe hat seit der Wiedervereinigung kein Kanzler, keine Kanzlerin gestanden.“