Wirtschaftsbilanz kann sich sehen lassen
Zumindest in ökonomischer Hinsicht hat sich seit dem Amtsantritt Obamas die Lage in den USA klar zum Besseren gewendet, lobt die wirtschaftsliberale Tageszeitung Financial Times:
„Der US-Präsident übernahm vor sieben Jahren eine Wirtschaft am Rande der Depression. In den USA gingen monatlich 800.000 Jobs verloren. Die Welt hatte das Vertrauen in ihr Finanzsystem verloren. Heute befindet sich Amerika in seinem siebten Jahr in Folge mit wirtschaftlichem Wachstum. Im privaten Sektor wurden 14 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Die Wirklichkeit mag vielleicht nicht so rosig aussehen, wie die volkswirtschaftlichen Daten nahelegen. Die Löhne sind immer noch niedriger als vor der Großen Rezession. Doch die Situation ist weit besser, als sie hätte sein können. Ein großer Teil des Verdiensts gebührt Obamas 847-Milliarden-Dollar-Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft, das er mit Hilfe von nur drei Stimmen der Republikaner durchgebracht hatte.“
Eloquenz ohne Power
In seiner letzten Rede zur Lage der Nation hat US-Präsident Barack Obamas Eloquenz ziemlich zu wünschen übrig gelassen, findet der Experte für Internationale Beziehungen, Bernardo Pires de Lima, in der liberal-konservativen Tageszeitung Diário de Notícias:
„Die Versuchung, sein Erbe zu verewigen, hat Obama zu einer minimalistischen Ansprache über die Transformation geführt, die er den USA 'aufgedrückt' hat. In dieser ging er außerdem viel zu emphatisch auf einen langfristigen Zeitraum ein, den er objektiv aber gar nicht mehr kontrollieren kann. … Einfach zu sagen, die USA seien das 'mächtigste Land der Welt', reicht nicht aus, um zu unterstreichen, was Obama alles unternehmen musste, damit die USA diese Position wiedererlangt haben. Er hätte mit einem ganz anderen Stolz seine Errungenschaften präsentieren können. … Es ist klar: Seit Jon Favreau, der ehemalige oberste Redenschreiber der Nation, das Weiße Haus verlassen hat, verlor Obamas narrative Eloquenz an Power - ganz im Gegensatz zu seinem Land.“
Der Funke sprang nicht über
Obwohl er einiges erreicht hat, verbreitet Obama den Eindruck von Unzufriedenheit und Unvollendetem, beobachtet die linksliberale Tageszeitung Le Monde und erklärt den Auslöser dafür:
„Genau genommen kommt dies von seinen Stärken. Wie David Ignatius von der Washington Post sagt, bemüht sich Obama in einer unruhigen Zeit, mit Vernunft zu regieren. Nicht mit Slogans, unhaltbaren Versprechen oder zwar absurden, aber beruhigenden 'Man bräuchte nur'-Phrasen. Er ist der Anti-Donald-Trump, der Anti-Marine-Le-Pen. Statt protestierender Einfachheit und radikalen Lösungen zieht er den Kompromiss vor, den Sauerstoff der Demokratie. Das gereicht ihm zur Ehre. Was ihm jedoch gefehlt hat, ist das Talent, mitzureißen, klare und harte Äußerungen in gewissen Momenten und die Kunst des Politikgeschachers, um in angstvollen Zeiten die Ideen eines weisen Mannes in Tatsachen zu verwandeln.“