NSA spähte Frankreichs Präsidenten aus
Der US-Geheimdienst NSA hat nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks jahrelang französische Präsidenten abgehört. Präsident François Hollande nannte das "inakzeptabel", die USA dementierten die Vorwürfe nicht. Mit ihrer Spionage vergraulen die USA sämtliche Verbündete, monieren einige Kommentatoren. Andere finden Frankreichs Empörung scheinheilig.
Vertrauen in Obama ist erschüttert
Von 2006 bis 2012 soll die NSA drei französische Präsidenten ausgespäht haben. Die Beziehungen zwischen den USA und Frankreich werden unter diesem Abhörskandal leiden, prophezeit die konservative Tageszeitung Le Figaro: "Das Vertrauen ist dauerhaft erschüttert. Die Protagonisten dieser bedauerlichen Affäre sollen als Verbündete auftreten, wenn es um die atomaren Ambitionen des Iran, die Manöver Russlands oder die barbarische Eroberungsstrategie des Islamischen Staats geht. Man kann sich schon die sarkastischen Äußerungen von Ali Khamenei, Wladimir Putin oder des 'Kalifen' al-Baghdadi vorstellen. Die amerikanischen misstrauen den französischen Präsidenten offenbar sehr, obwohl diese ihre Ehrlichkeit oft unter Beweis gestellt haben. Auch wenn er das in seinen Reden behauptet, hat Barack Obama nichts an den Methoden von Bush und Cheney geändert. Das ist ein strategischer Fehler, der das Ansehen der USA beschädigt und ein weiterer Misserfolg für den US-Präsidenten, den die Franzosen unterstützt hatten."
Protest aus Paris ist fadenscheinig
Der Protest aus Paris gegen die Spionage der NSA mag berechtigt sein, ist aber angesichts der Umstände vor allem scheinheilig, unterstreicht die linksliberale Tageszeitung El Periódico de Catalunya: "Die Gier der USA, Daten von Gegnern wie Freunden zu sammeln und zu kontrollieren, scheint keine Grenzen zu kennen. Aber ebenso grenzenlos wirkt die Scheinheiligkeit der Ausspionierten. ... Die deutsche Kanzlerin beschwerte sich ihrer Zeit, wenn auch kleinlaut, und verurteilte die Spionage unter Freunden als 'inakzeptabel'. Dasselbe Wort gebrauchte nun der französische Präsident, obwohl Frankreich und die USA eng zusammenarbeiten, um den Informationsfluss in Subsahara-Afrika zu überwachen. ... Die Ironie bei diesem neuen Spionageskandal liegt darin, dass sie just in dem Moment bekannt wird, zu dem Paris ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das es den Geheimdiensten ermöglichen soll Abhöraktionen ohne jegliche richterliche Kontrolle durchzuführen."
Abhören ist gängige Praxis
Frankreich tut nur so, als ob es über die Spionage der NSA verärgert sei, ist derlei doch unter den transatlantischen Partnern offenkundig übliche Praxis, bemerkt die liberale Tageszeitung Sme: "Der öffentliche Aufruhr, den die französische Politik vorspielt, löst in Washington nur Grinsen aus. Zumal aus den Abschriften hervorgeht, dass Paris von der Ausspähung dreier Präsidenten mindestens seit fünf Jahren wusste. ... Freilich hatte Paris keine Wahl und musste einen hysterischen Anfall vorspielen und die Spionage als inakzeptabel bezeichnen. ... Aber alle spähen aus. Im März musste Deutschland einräumen, dass es zehn Jahre die Franzosen und andere enge Partner abhörte. ... Die französischen Politiker werden jetzt noch ein paar Tage verschnupft herumlaufen. Aber auch Frankreich hat seine Leichen im Keller und die NSA weiß darüber mit Sicherheit Bescheid."
Das wusste man auch ohne NSA
Die Enthüllungen über die Abhöraktionen zeigen, wie wenig sich diese lohnen, meint die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Nach allem, was man bis jetzt weiss, steht der Nutzen in einem Missverhältnis zu den Kosten - vor allem dem Imageschaden und dem Misstrauen, das solches Tun in verbündeten Ländern schürt. Der Erkenntniswert der nun aufgedeckten NSA-'Highlights' ist äusserst bescheiden. Wen überrascht es ernsthaft, dass Hollande gleich nach seiner Wahl Beratungen über die Euro-Krise aufnahm? Und weshalb verfasste ein NSA-Beamter eine Depesche darüber, dass sich Hollande mit führenden deutschen Sozialdemokraten treffen wollte, wenn dasselbe doch auch in der Zeitung zu lesen war? Die ungewollte Ironie gipfelt in einer NSA-Analyse von 2008 mit dem Titel 'Sarkozy hält sich für den Einzigen, der die Weltfinanzkrise bewältigen kann'. Wer den umtriebigen Staatschef damals beobachtete, musste zwangsläufig zum selben Schluss kommen - ganz ohne Abhörtechnik."