Einigung im Atomstreit mit Iran
Die fünf UN-Vetomächte und Deutschland haben am Dienstag in Wien ein Atomabkommen mit dem Iran unterzeichnet - nach 13 Jahren Verhandlungen. Kommentatoren sehen die Einigung als historischen Schritt, der den Nahen Osten befrieden und ihm wirtschaftlichen Aufschwung bringen könnte. Andere warnen davor, dass das Abkommen den Iran nicht davon abhalten wird, früher oder später eine Atombombe zu bauen.
Der Sieg der Diplomatie über die Waffen
Das Atomabkommen ist ein historisches Ereignis, jubelt die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "Die Welt ist vielleicht seit gestern nicht besser geworden, aber sie hat sich ein wenig gewandelt. ... Zum ersten Mal siegt im Nahen Osten die Diplomatie über die Waffen. Das ist die augenscheinliche aber auch tiefgreifende Bedeutung des Atomabkommens von Wien. Den Hardlinern im Iran wie auch im US-amerikanischen Kongress, die das Abkommen absegnen müssen, mag es nicht gefallen. Zweifelsfrei missfällt es Israel, das den Iran als lebensgefährliche Bedrohung ansieht, Saudi-Arabien und den Golfmonarchien bereitet es Sorge, doch keine der regionalen Mächte hat jemals, nach Jahren zermürbender Verhandlungen, ein so wichtiges Ergebnis erzielt."
Neue Hoffnung für Syrien
Das Atomabkommen mit dem Iran gibt der linksliberalen Tageszeitung Politiken Anlass zur Hoffnung für das vom Krieg zerstörte Syrien: "Es ist eine Leistung, die nicht nur Hoffnung gibt, dass eine militärische Konfrontation über die atomaren Ambitionen des Iran vermieden werden kann. Das Abkommen macht auch Hoffnung, dass die USA, Russland und Iran einen Dialog einleiten können, wie die Katastrophe in Syrien gestoppt und der IS zurückgedrängt werden kann. Das Abkommen kann dazu beitragen, den harten diplomatischen Knoten im Nahen Osten zu lockern und ein großes wirtschaftliches Potenzial freizusetzen - was auch den arabischen Ländern und Israel etwas bringen würde. Es ist gelungen, gegenseitiges Verständnis zu erreichen, von dem beide Seiten profitieren können."
Türkei muss nun Außenpolitik ändern
Um selbst Vorteile aus der Atomeinigung zwischen dem Westen und dem Iran zu ziehen, muss die Türkei nun ihre Außenpolitik ändern, fordert die liberal-konservative Tageszeitung Hürriyet: "An diesem Punkt muss die Türkei ihre diplomatischen Fehler schnell korrigieren. Der ganzen Welt wurde der Eindruck einer 'konfessionellen Außenpolitik' [der sunnitisch geprägten Türkei] vermittelt. Es ist sicher, dass dies zu einer Verunsicherung zwischen uns und dem Iran führte. Wenn die Türkei sowohl politisch als auch wirtschaftlich von der Einigung profitieren will, muss unbedingt diese Außenpolitik der letzten Zeit verändert werden. ... Wenn sich die Türkei und der Iran einigen, kann die Türkei ihr Ziel, zu einem Energiekorridor zu werden, verwirklichen. Eine ausgewogene Außenpolitik, die Saudi Arabien nicht verärgert, die Beziehungen mit Israel normalisiert und die Möglichkeiten nutzt, die sich mit dem Iran ergeben, wird unsere Wirtschaft sehr positiv beeinflussen."
Atomdeal könnte Rüstungswettlauf beflügeln
Das Atomabkommen mit dem Iran könnte einen atomaren Rüstungswettlauf im Nahen Osten anfeuern, den es eigentlich verhindern soll, fürchtet die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Denn das Kernproblem löst diese Vereinbarung nicht: Iran bleibt eine nukleare Schwellenmacht. Das Abkommen legt Teherans Atomprogramm für zehn bis fünfzehn Jahre Fesseln an. Aber es verhindert nicht, dass Iran in absehbarer Zukunft Atombomben baut, sondern verschiebt nur den Zeitpunkt, an dem Teheran dazu fähig sein wird. Irans Rivalen - allen voran Saudi-Arabien und die Golfstaaten, vielleicht aber auch Ägypten oder die Türkei - werden sich daher in den nächsten Jahren sehr genau und kaltblütig mit der Frage befassen, ob nicht auch sie sich um Atomwaffen bemühen sollen, bevor Teheran diese alleine bekommt. ... Die Zeit, in der die Abrüstung möglichst vieler Atombomben das erklärte Ziel der Nuklearwaffenstaaten war, ist vorbei. Russland hat vorgemacht, dass man als Atommacht seinen Nachbarn filetieren kann."
Iran bleibt ein Terrorstaat
Der Iran bleibt auch nach der Unterzeichnung des Abkommens gefährlich, warnt die konservative Tageszeitung De Telegraaf: "Die Atomanlagen im Iran werden nicht abgebaut, sondern bleiben einfach stehen. Teheran erhält zudem die Möglichkeit, gegen geplante Inspektionen zu protestieren, wonach dann immer wieder zeitraubende Verhandlungen stattfinden müssen. Und Wissenschaftler dürfen ihre nuklearen Forschungen fortsetzen, wobei unklar ist, ob sie über ihre Beteiligung an der Entwicklung von Kernwaffen Auskunft geben müssen. Alles in allem ist das Abkommen riskant und es ist sehr fraglich, ob es den sechs Weltmächten wirklich gelingt, dem atomaren Ehrgeiz des Iran ein Ende zu bereiten. ... Der Iran bleibt in seinem Wesen ein Terrorstaat, unter Leitung von Machthabern, die von einer apokalyptischen Ideologie geleitet werden. In dieser Hinsicht ist es lebensgefährlich, dass das Atomprogramm nicht völlig gestoppt und abgebaut wird."