Fed wagt die Zinswende
Die US-Notenbank hat am Mittwoch zum ersten Mal seit fast zehn Jahren den Leitzins erhöht. Er liegt nun innerhalb einer Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent. Europa wird von der Zinswende profitieren, glauben einige Kommentatoren. Andere fürchten, dass die Weltwirtschaft noch immer zu verwundbar ist, um den Schritt zu verkraften.
Gute Nachricht für Europa
Europa wird von der Zinserhöhung in den USA profitieren, glaubt die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Für die Euro-Zone und die Schweiz ist die zinspolitische Kehrtwende eine gute Nachricht. Wenn mit der Zinserhöhung der Dollar für Anleger weiter an Attraktivität und somit an Wert gewinnt, nimmt dies ein wenig Druck sowohl vom Euro als auch vom überbewerteten Franken. Das wird auf absehbare Zeit zwar noch kein zinspolitisches Nachziehen der Europäischen Zentralbank oder der Schweizerischen Nationalbank zur Folge haben, da sich die Konjunktur auf dem alten Kontinent weit fragiler präsentiert als diejenige in den USA. Zumindest sinkt aber die Notwendigkeit, die eigene Geldpolitik noch aggressiver zu lockern. Das ist in Zeiten des permanenten Ausnahmezustands immerhin etwas."
Angst vor Ausverkauf macht sich breit
Mit einer von nun an restriktiven Geldpolitik schlägt die Fed einen anderen Weg ein als die EZB, was für die Eurozone ein zweischneidiges Schwert ist, warnt die liberale Tageszeitung La Stampa: "Mit der Aufwertung des Leitzins steigt der Dollar und sinkt der Euro. Das kommt der europäischen Wirtschaft zugute, die auf Export ausgerichtet ist. ... Doch je mehr die Fed den Zins anhebt, umso nervöser werden die Finanzmärkte. Sie werden beginnen, Aktien und Anleihen zu verkaufen und so die Angst vor Ansteckung schüren. Die wahren Krisen beginnen aber nicht, wenn Investoren gezwungen sind, die schwächsten Teile ihres Portfolios zu verkaufen, sondern wenn sie so verzweifelt sind, dass sie sich von den besten Stücken trennen müssen. Ramsch ist dazu da, weggeschmissen zu werden. Das Tafelsilber verkauft man nur, wenn die Situation ausweglos ist."
Weltwirtschaft noch sehr verwundbar
Sorgen um die Wirtschaft der Schwellenländer macht sich nach der Zinsanhebung durch die US-Notenbank die linksliberale Tageszeitung El Periódico de Catalunya: "Die Auswirkungen auf Europa sind nicht allzu groß. Der Euro verliert gegenüber dem Dollar an Wert, was den Export aus der EU fördert, und man kann erwarten, dass die EZB ihre expansive Politik fortsetzt, die sie so viel Überwindung gekostet hat. Am heftigsten wird es für die Schwellenländer, die in Dollar verschuldet sind und unter dem Kapitalabfluss in Richtung Zentrum leiden werden. Dazu kommt der niedrige Preis für Öl und andere Rohstoffe, was die Einnahmen der Förderländer schmälert. Chinas Wachstum ist seit Monaten rückläufig und die Börsenblase in dem Land ist geplatzt. Beunruhigende Aussichten, die die Fed dazu veranlassen sollten, jeden weiteren Schritt genau abzuwägen. Die Weltwirtschaft ist noch immer sehr verwundbar."
Sieben verlorene Jahre
Angesichts der sich nur vorsichtig erholenden Realwirtschaft hätte die Fed den Leitzins nicht erhöhen sollen, kritisiert die linksliberale Tageszeitung The Guardian: "Höhere Zinsen sind dann gerechtfertigt, wenn sich die Realwirtschaft auf einem nicht nachhaltigen Wachstumspfad befindet. Doch dafür gibt es keinerlei Anzeichen. ... Das Wachstum war zuletzt respektabel. Doch die Erholung muss vor dem Hintergrund des vorangegangenen wirtschaftlichen Einbruchs gesehen werden, und in diesem Kontext ist sie weniger beeindruckend. Das reale BIP pro Kopf ist seit 2007 im Schnitt pro Jahr nur sehr leicht, um den Bruchteil eines Prozents gestiegen. Wir haben es mit sieben verlorenen Jahren zu tun, was den Lebensstandard betrifft. Und das umso mehr, als dass sich die Superreichen so viel von diesem bisschen Wachstum geschnappt haben."