Verändert Köln die deutsche Migrationspolitik?
Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht berät die Koalition in Berlin am heutigen Montag über Konsequenzen wie verschärfte Ausweisungsregeln für kriminelle Ausländer. Einige Kommentatoren ermutigen die deutsche Regierung, an ihrer besonnenen Migrationspolitik festzuhalten. Andere werfen Merkel vor, dass sie eine Invasion ausgelöst und Europas Zusammenhalt aufs Spiel gesetzt hat.
Frau Merkel, Sie schaffen das!
Angela Merkel darf jetzt nicht aufgeben, drängt die liberale Tageszeitung Jutarnji list: "Der Angriff in Köln bedeutet das Ende der Politik des Rumeierns, mit der Merkel die anderen Mitgliedstaaten in der Flüchtlingskrise gerettet hat. Frankreich ist angesichts der Präsidentschaftswahl 2017 vor Angst erstarrt. Mit den Briten rechnet niemand mehr ernsthaft. Im Osten wächst von der Adria bis zum Baltikum die neokonservative Antimigranten-Koalition. Tschechien, die Slowakei, Estland - niemand will Flüchtlinge. Außerdem ist da noch das neue Bündnis Orbán und Kaczyński. Und nun schließen auch noch Schweden, Dänemark und Norwegen, die immer ein großes Bewusstsein für Menschenrechte und Solidarität gezeigt haben, ihre Grenzen für die Kriegsleidenden aus Nahost. Die deutsche Kanzlerin hat 2015 gut gespielt. Und 2016? Frau Merkel, Sie schaffen das!"
Deutschlands Besonnenheit tut Europa gut
Nach den sexuellen Übergriffen in Köln und anderen deutschen Städten hat Kanzlerin Angela Merkel angekündigt, eine Verschärfung der Abschieberegeln für kriminelle Ausländer zu überprüfen. Zum Glück reagiert Deutschland besonnen und macht nicht plötzlich die Grenzen dicht, freut sich die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Die klare doch zugleich sorgfältig abwägende Entschlossenheit der deutschen Führungsspitze basiert auf der Überzeugung, dass die Gründe, die die Kanzlerin zu ihrer Flüchtlingspolitik bewogen haben, nach wie vor gelten: … Deutschland (und Europa) haben aus demographischen und geopolitischen Gründen ohne Zuwanderung keine wirtschaftliche Zukunft. Und die Flüchtlinge sind ein Phänomen von globaler Dimension, gegen das keine europäische Nation, nicht einmal das 'große Deutschland', allein vorgehen kann. Es sei denn, man wägt sich in dem Glauben, Rettung finden zu können hinter neuen, aber instabilen Mauern."
Todesstoß für Willkommenskultur?
Die massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht könnten die deutsche Migrationspolitik verändern, analysiert die christliche Tageszeitung Kristeligt Dagbladet: "Natürlich darf man nicht alle muslimischen Männer über einen Kamm scheren, aber es wäre auch verkehrt, die Augen vor den tiefen kulturellen und religiösen Unterschieden zu verschließen, die die Integration für viele so schwer machen. Darüber muss offen gesprochen werden, in Deutschland, das oft auf hysterische Weise politisch korrekt handelt, und auch hier im Lande. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat absolut Recht, wenn sie in ihrer Neujahrsrede sagt, dass 'unsere Werte, ... unsere Gesetze, unsere Regeln für jeden, der hier leben will' gelten. Doch es ist unklar, wie sie es durchsetzen will, dass diese auch von denen akzeptiert werden, denen es schwerfällt, sich zu integrieren. Fest steht, dass die 'Wir schaffen das'-Zusicherung der Kanzlerin durch die Übergriffe der Silvesternacht mit der Realität konfrontiert wurde und vielleicht sogar den Todesstoß erlitten hat."
Rechtspopulisten missbrauchen Opfer von Köln
Nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten hat die Bundesregierung am Wochenende angekündigt, die Asylgesetze zu verschärfen sowie Polizei und Justiz zu stärken. Die Vorfälle dürfen nicht dazu führen, dass die Willkommenskultur zerstört wird, mahnt Doris Akrap in der linksliberalen Tageszeitung The Guardian: "Niemand hat je behauptet, dass die Flüchtlinge, selbst wenn diese nach ihrer Reise über das Mittelmeer in Rettungsdecken gehüllt sind, alle Engel sind. Doch ich habe die Angst, dass die Willkommenskultur als leerer Spruch enden könnte. Jene Menschen, die schon immer wollten, dass diese scheitert, und an einen Staat nur für Deutsche glauben, missbrauchen die Ängste und Unsicherheiten, die wir alle vor dem Hintergrund der neuen Ankömmlinge haben. Darüber hinaus missbrauchen sie die Dutzenden Frauen, die in der Silvesternacht Opfer von Übergriffen wurden."
Merkel hat Europa auf dem Gewissen
Mit ihrer Flüchtlingspolitik hat Angela Merkel den Zusammenhalt Europas aufs Spiel gesetzt, schimpft das regierungskritische Onlineportal e-vestnik: "Merkel wird wahrscheinlich noch dieses Jahr abtreten müssen. Doch was wird aus Europa? Einige EU-Länder haben bereits das Schengen-Abkommen ausgesetzt. Sie rechtfertigen es mit dem Flüchtlingsandrang aus Griechenland. Doch wie soll Griechenland 13.000 Kilometer Meeresküste verteidigen, wenn Merkel die Flüchtlinge einlädt? Bevor sie es tat, war der Zustrom stetig, aber kontrollierbar. Indem Merkel die ganze EU gezwungen hat, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, hat sie nun eine wahre Invasion ausgelöst. Die EU bricht auseinander, Großbritannien will sich abspalten und es drohen unvorhersehbare Konflikte zwischen den Mitgliedsländern."