Bluttat offenbart Männlichkeitskrise
Einen Zusammenhang zwischen den vielen Massenermordungen in den USA und dem Unbehagen, welches viele Männer in der modernen Gesellschaft empfinden, erkennt The Independent:
„Seit tausenden von Jahren werden heterosexuelle Männer mithilfe der Religion an der Spitze der Gesellschaft gehalten. Dabei ist die Religion im aktuellen Fall gar nicht das Problem. Sie verdeckt die Tatsache, dass die Maskulinität nicht imstande ist, sich einer Welt im Wandel anzupassen, in der Frauen die Versorger sind und homosexuelle Paare Familien gründen können. Seit [dem Amoklauf an der] Sandy Hook [-Grundschule 2012] gab es unglaubliche 998 Massenermordungen in den USA. Zwei der Täter waren Muslime, aber alle waren Männer. Das zeigt deutlich, dass wir es mit einem größeren Problem der Maskulinität zu tun haben. So lange wir nicht das Konzept dessen überarbeiten, was wir unter einem 'echten Mann' verstehen, werden Männer weiterhin ihre Frauen schlagen und Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie Transsexuelle ermorden, um ihren Selbsthass zu verringern.“
Schwulenhass nicht nur Problem des Islam
Auch im vermeintlich liberalen Westen sehen große Teile der Bevölkerung die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare nach wie vor kritisch, meint The Daily Telegraph:
„Umfragen deuten darauf hin, dass rund ein Drittel der US-Amerikaner immer noch glaubt, dass Menschen davon abgehalten werden sollten, Homosexualität zu praktizieren. Deren Ausübung ist im Westen erst seit den 1960er-Jahren legal. Die Heirat gleichgeschlechtlicher Paare ist erst seit rund einem Jahrzehnt ein Thema, und sie wird von Wertkonservativen immer noch vehement abgelehnt. Weil das Fernsehen mit den liberalen Werten seiner Produzenten überflutet ist, kann der Anschein entstehen, dass unsere gesamte Hemisphäre sexuelle Freiheit akzeptiert hat. ... Die Konservativen haben recht: Der Islam hat ein Problem mit Homosexualität. Doch das haben viele Konservative ebenso.“
Weltweit Zeichen gegen Homophobie setzen
Zu internationaler Solidarität ruft Franko Dota, Vertreter der kroatischen LGTB-Organisation Zagreb Pride in der Tageszeitung Jutarnji List auf:
„'Töte die Schwuchtel!' Nein, der Terrorist, der Sonntagnacht in den Gay-Club in Florida stürmte, war nicht der Erste, der das jemals gedacht hat. Das haben am 29. Juni 2002 donnernde Chöre kroatischer Extremisten auf den Straßen Zagrebs den Teilnehmern der ersten Schwulen- und Lesben-Demo Kroatiens entgegen geschmettert. Ein Jahr zuvor endete in Belgrad der Versuch einer LGBT-Demo blutig. Schwule werden geschlagen, verprügelt, getreten und getötet und das nicht nur auf Demos oder in Gay-Clubs. ... Die Staaten dieser Welt müssen begreifen, dass gegen Homophobie, Glaubensfanatismus und Diskriminierung in den Parlamenten, Schulen und Medien gekämpft werden muss. Und all diejenigen, die im Januar 2015 Charlie waren, könnten jetzt wenigstens für ein paar Tage ihre Profile mit 'I am gay' markieren.“
Litauer offenbaren ihre grausame Seite
Die Reaktionen in Litauen auf das Massaker von Orlando schockieren den Kolumnisten Andrius Tapinas vom Portal Delfi:
„Man kann es kaum fassen, dass unsere Landsleute, die ihre Familien und Jobs haben, die mit ihren Kindern in den Park gehen und am Wochenende Fußball spielen, am Sonntag aus dem Park nach Hause kommen, sich an den Computer setzen und solches Grauen verbreiten. 'Grüße an den Helden', 'Glaubt nicht, dass ihr sicher seid, ihr Schwuchteln', 'Ich möchte mit einem Maschinengewehr an der [Baltic Pride-] Parade in Vilnius teilnehmen'. … Man könnte denken, dass dies anonyme Feiglinge tun, die nur hinter ihren Computerbildschirmen mutig sind, aber fast dasselbe passiert auch in meiner Facebook-Timeline. … Deshalb sage ich heute: Baltic Pride, ich unterstütze euch. Ich habe keine andere Wahl. Denn sonst stünde ich auf der Seite der Finsternis, des Hasses und des Grauens.“