Wie geht es nach Lausanne in Syrien weiter?
Die Syrien-Gespräche in Lausanne sind am Samstag ergebnislos zu Ende gegangen. Türkische Medien berichten indes, dass sich Moskau und Ankara auf einen Abzug der Kämpfer der Al-Nusra-Front aus dem belagerten Aleppo geeinigt haben. Diese Nachricht sehen Kommentatoren sehr zwiespältig.
Ankara offenbart Kontakte zur Al-Nusra-Front
Laut türkischen Medienberichten hat Präsident Erdoğan Putin telefonisch versichert, die nötigen Anweisungen zu einem Abzug der Al-Nusra-Front aus Aleppo zu geben. Eigenartige Zustände, findet die regierungskritische Cumhuriyet:
„Es zeigt, wer bei Al-Nusra Achtung genießt, wessen Wort bei der Organisation Gewicht hat und auch, dass diese Verhältnisse bekannt sind. Al-Nusra leistet Widerstand und will nicht aus dem belagerten Aleppo abziehen, aber Putin weiß, dass Ankara sie davon abbringen kann und richtet sich an die passende Adresse. ... Wenn nun Ankara bei Al-Nusra ein Ergebnis erzielt, sollte man das als Erfolg verbuchen? Einerseits ja, denn es würde verhindern, dass noch mehr Menschen grundlos sterben. Andererseits nein. ... Zu Recht stellt sich die Bevölkerung die Frage, mit welcher Art von Unterstützung man sich diesen Einfluss auf die Terrororganisation sichert.“
Moskau wird Assad nicht zu Kompromiss zwingen
Auch der neue Anlauf für Gespräche droht daran zu scheitern, dass die Unterstützer des Assad-Regimes keinen Frieden wollen, warnt der Tages-Anzeiger:
„Syriens Präsident Bashar al-Assad hat unumwunden und in verräterischer Diktion der russischen Zeitung 'Komsomolskaja Prawda' gesagt, was er will: Aleppo 'säubern' und dann das ganze Land erobern. Er hat stets auf eine militärische Lösung gesetzt, nicht auf einen politischen Kompromiss. Denn der liefe auf ein Ende seiner Herrschaft hinaus. Den Iran weiss er dabei an seiner Seite; für die Islamische Republik hat Syrien nur dann Wert, wenn es von Assad regiert wird. ... Saudis, Türken und Katarer werden ebenso wie die Rebellen keine Lösung akzeptieren, bei der Assad weiter das Land kontrolliert. Russland hätte es in der Hand, ihn in einen Kompromiss zu zwingen. Doch auch in Moskau kann man mit dem Mann ganz gut leben.“
Merkel will Sanktionen zu Recht verschärfen
Härtere Sanktionen gegen Russland, wie sie unter anderen Angela Merkel auf dem kommenden EU-Gipfel ansprechen will, wären nach Meinung von Hospodářské noviny jetzt genau der richtige Schritt:
„Es ist ermutigend, wenn Syrien wenigstens Merkel nicht gleichgültig lässt. Sie will die Sanktionen gegen Moskau verschärfen, das ganze Viertel in Schutt und Asche legt sowie Krankenhäuser und Lastwagen mit Hilfsgütern in Flammen aufgehen lässt. Das wäre ein richtiger Schritt, ein sehr hygienischer für die internationalen Beziehungen, die gekennzeichnet sind durch trostlose US-amerikanische Untätigkeit, europäische Zahnlosigkeit und blutrünstigen russischen Expansionismus. Die Frage ist jedoch, ob sich jemand auf dem EU-Gipfel findet, auch beispielsweise aus Tschechien, der die Bundeskanzlerin in ihrer Absicht unterstützt.“
Frieden nur mit neuen Staatsgrenzen möglich
Warum eine härtere Linie der kommenden US-Regierung gegenüber Moskau einen Durchbruch in Syrien bringen könnte, erläutert der Politikwissenschaftler Angelo Panebianco in Corriere della Sera:
„Paradoxerweise könnte ein Präsident, der den Russen keine Nachsicht entgegenbringt, für sie attraktiv sein. Er würde ihnen den internationalen Status zuerkennen, den sie anstreben. Dies würde zudem eintreffen, wenn Russland angeboten würde, sich an der Seite der USA für künftige Friedensabkommen im Nahen Osten einzusetzen und den in den Konflikt involvierten lokalen Akteuren zu helfen, die geopolitische Karte neu zu zeichnen. Es wird in der Region keinen Frieden geben (noch wird die Terrorbedrohung in Europa abnehmen), solange die alten Staatsgrenzen, die von den westlichen Mächten nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches festgesetzt wurden, nicht im Einvernehmen aller aufgegeben werden.“
Deutschland muss UN-Resolution herbeiführen
Darauf, dass sich die Blockade im UN-Sicherheitsrat überwinden ließe, macht die taz aufmerksam:
„Sanktionen gegen Russland, um die sich Kanzlerin Merkel jetzt bemüht, sind nach allen Erfahrungen im Ukraine-Konflikt ein untaugliches Mittel, um die Politik Moskaus zu verändern. Sie würden die Dynamik der West-Ost-Konfrontation über Syrien und die Blockade im UNO-Sicherheitsrat nur noch weiter verschärfen. Diese Blockade ließe sich überwinden durch eine Resolution der UNO-Generalversammlung mit den - ausdrücklich an alle beteiligten Gewaltakteure - gerichteten vier Forderungen: Waffenruhe, Stopp aller Luftangriffe, keine weiteren Waffenlieferungen an wen auch immer sowie ungehinderte Zulassung von Hilfslieferungen für die Not leidende Bevölkerung. ... Die in der UNO nicht ganz einflusslose und bei vielen anderen Mitgliedstaaten hoch angesehene Mittelmacht Deutschland sollte möglichst bald die Initiative für eine Resolution der Generalversammlung ergreifen.“