Wie hat die PiS Polen verändert?
Seit genau einem Jahr stellt in Polen die nationalkonservative PiS die Regierung. Unter ihrer Führung wurden mehrere Gesetze zum Umbau der staatlichen Institutionen verabschiedet - woraufhin die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen das Land einleitete. Der Plan, ein totales Abtreibungsverbot einzuführen, wurde jedoch wieder fallen gelassen. Kommentatoren in Polen sind in ihrer Bilanz nach einem Jahr PiS-Regierung so gespalten wie das Land selbst.
Land innerhalb eines einzigen Jahres zerrüttet
Nichts Positives vermag die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza in den vergangenen 365 Tagen zu erkennen:
„Das abfällige Verhalten der PiS gegenüber der EU und besonders zu deren demokratischen Werten hat Polen in die Isolation getrieben. Es hat seine Position innerhalb der Gemeinschaft verloren. Wir können uns weder auf die Unterstützung Deutschlands noch Frankreichs verlassen, die beide von der polnischen Regierung brüskiert worden sind. Und ebenso wenig können wir auf Großbritannien zählen, das nach dem Brexit-Votum mit sich selbst beschäftigt ist. Zudem steht nach dem Sieg von Trump hinter dem Bündnis mit den USA ein großes Fragezeichen. … Im Laufe eines Jahres hat Kaczyński mit Hilfe von Präsident Duda und Premierministerin Szydło die demokratischen Organe Polens zerstört, die über Jahrzehnte hinweg erschaffen wurden. Sie haben ganz schamlos die Verfassung geschändet. ... Es war das schlechteste Jahr Polens seit 27 Jahren.“
Schutz der Familie nur noch zweitrangig
Eine gemischte Bilanz zieht das katholische Portal Gość Niedzielny:
„Der Erfolg des ersten Regierungsjahres der PiS ist, dass sie ihr Wahlversprechen eingehalten hat. Sie hat den Staat so umgebaut, dass er wieder mehr Solidarität zeigt. Die Niederlage besteht darin, dass es keine Änderungen des Rechts gibt, das moralische Fragen regelt. Die PiS ist zum Wahlkampf angetreten, um die Güter gerechter zu verteilen und sich um das Wohl der Familien zu kümmern. Diese Versprechen hat sie zweifelsohne gehalten. ... Allerdings haben die Abgeordneten der PiS in den vorhergehenden Legislaturperioden, als sie im Sejm in der Minderheit waren, für ein vollständiges Abtreibungsverbot und gegen die künstliche Befruchtung gestimmt. Und sie waren gegen die Gender-Ideologie, die Europarats-Konvention gegen häusliche Gewalt sowie gegen eingetragene Partnerschaften. Aber jetzt, wo sie die Mehrheit haben, beschäftigen sie sich damit überhaupt nicht.“
Sozialpolitik ist wieder salonfähig
Die PiS hat endlich wieder das Thema soziale Gerechtigkeit auf die Agenda geholt, freut sich die konservative Boulevardzeitung Super Express:
„Aus Sicht der Bürger ist die Sozialpolitik das Wichtigste, sie ist das Flaggschiff der PiS-Führungsriege. Es ist klar zu sehen, dass die PiS den bisherigen Entwicklungstrend in dieser Frage umgedreht hat. Seit Beginn der Transformation brach der Sozialstaat zusammen. Der Großteil der Gesellschaft wird nicht mehr versorgt. Die Mannschaft von Kaczyński hat nun einen neuen Schwerpunkt gesetzt: Sie hat sich nicht nur für eine aktive Staatspolitik entschieden, sondern es ist ihr sogar gelungen, dafür die Unterstützung der Polen zu gewinnen. Damit zeigt sie an, dass sie sie den liberalen gesellschaftlichen Darwinismus ablehnt. ... Für diese Änderung muss man die PiS loben.“
De facto Kirchenstaat eingeführt
Die PiS hat gemeinsam mit der Kirche den Rechtsstaat abgeschafft, glaubt das liberale Nachrichtenmagazin Newsweek Polska:
„Wir wissen nicht, welche Rolle im Leben von Jarosław Kaczyński der Glaube spielt. Und wir wissen auch nicht, wie er zu Jesus Christus steht. Kaczyński schweigt dazu wie ein Grab. Doch wissen wir ganz genau, welche Rolle die Kirche in seinem politischen Projekt übernommen hat. Darüber hat er oft und groß gesprochen. Dabei hat das vergangene Jahr ebenso gezeigt, was die Verbindung zwischen Altar und dem Thron der PiS bedeutet. Die Kirche ist ein politisches Werkzeug, das die Gläubigen und die Wähler mobilisieren soll. Diese Union soll vor allem negative Emotionen schüren. ... Wir haben so gesehen, wie die Vermittlung des Evangeliums, von Barmherzigkeit und Fürsorge durch eine nationalistische katholische Häresie ersetzt worden sind. Durch diese Verbindung von Thron und Altar wurde letztlich der demokratische Rechtsstaat in einen kirchlichen PiS-Staat verwandelt.“