Setzt sich Tillerson gegen Trump durch?
Aussagen des designierten US-Außenminister Tillerson haben einen Dissens mit seinem Regierungschef offenbart: Bei den Themen Russland-Beziehungen, Nato-Mitgliedschaft und Klimapolitik vertritt er andere Positionen als der künftige Präsident Trump. Einige Kommentatoren hoffen, dass sich Tillerson durchsetzt. Andere sehen die Regierung bereits vor Amtseinführung in der Krise.
Tillerson hat eine Haltung
Dass sich der moderatere Tillerson gegenüber Präsident Trump behaupten kann, hält der Tages-Anzeiger für fraglich:
„In der Befragung sprach er sich gegen einen pauschalen Einwanderungsstopp für Muslime aus und räumte ein, dass es Klimawandel gebe und man handeln müsse. Er bekräftigte die Allianz mit der Nato, denn nur gemeinsam könne man globalen Problemen entgegentreten. Da klang er schon als der sehr viel verlässlichere Ansprechpartner als Trump, der mit seinen 'America first'-Parolen Konzerthallen füllt. Vor allem aber fand Tillerson klare Worte in Richtung Putin. Russland bezeichnete er als 'Gefahr', die Annexion der Krim als 'ungerechtfertigt'. Tillerson benötigte nur wenige Minuten, um seine Haltung gegenüber Putin deutlich zu machen. Trump lässt jede Haltung vermissen. Die Frage bleibt, ob sich Tillersons Pragmatismus überhaupt durchsetzen kann gegen einen Chef, der es vorzieht, via Smartphone ins Weltgeschehen einzugreifen.“
Die Welt könnte nochmal ungeschoren davonkommen
Für Aamulehti ist der Dissens zwischen Trump und Tillerson Anlass zur Hoffnung:
„Zum Pariser Klimaabkommen hat Tillerson erklärt, dass es für die USA viel besser sei, wenn sie mit am Tisch sitzen, als wenn sie dem Prozess nur von außen beiwohnen. … Mit Erleichterung wurde in unserer Ecke der Welt Tillersons Erklärung aufgenommen, in der er zu den Verpflichtungen der Nato, zum Beispiel im Baltikum, stand. … Auch wenn die Aussagen große Erleichterung brachten, dominiert bei der jetzigen Übergangsphase der US-Politik die Unsicherheit: Wer hat eigentlich das letzte Wort, in wessen Händen ist die Macht? Die tröstlichste Einschätzung ist, dass Trump seine Clownsshow des Reality-TV fortsetzt, aber seine Minister und Referenten die Politik gestalten lässt. In diesem Fall würde die Welt während der beginnenden vierjährigen Legislaturperiode weniger Schaden erleiden als befürchtet.“
Dissens droht neue US-Regierung zu lähmen
Zwischen Trump und seinem Kabinett besteht dringender Gesprächsbedarf, findet Der Standard:
„Tillerson wirkte zwar nicht unvernünftig, dafür aber zauderhaft. So als wisse er nicht genau, wo er seine eigene Meinung vertreten dürfe und wo er den Ansagen seines Chefs folgen müsse. Er ist nicht das einzige Beispiel: Justizministerkandidat Jeff Sessions hält Trumps Vorschlag, Muslime zu überwachen, für verfassungswidrig. Der designierte Verteidigungsminister James Mattis findet die von Trump gescholtenen Verteidigungsallianzen essenziell. Er und der CIA-Chef in spe, Mike Pompeo, stehen mit den moskaufreundlichen Ansichten von Sicherheitsberater Michael Flynn über Kreuz. Es ist gut, wenn in einer Regierung abweichende Meinungen erlaubt sind. Wenn aber schon vor Antritt offensichtlicher Dissens besteht, ohne dass darüber diskutiert wird, gibt es bald Probleme. Nicht zuletzt für Trump selbst, der den Wählern entschlossenes Handeln versprochen hat.“