Neuer Schmusekurs zwischen Berlin und Warschau?
Angela Merkel hat sich in Warschau mit Premierministerin Beata Szydło und PiS-Chef Jarosław Kaczyński getroffen. Dabei hat sie die Bedeutung unabhängiger Justiz und Medien betont. Szydło sicherte der Kanzlerin Kooperation in europapolitischen Fragen zu, Kaczyński deutete eine Entspannung der deutsch-polnischen Beziehung an. Kommentatoren analysieren, warum die Stimmung so freundlich war.
Trump weckt Europas Selbsterhaltungstrieb
Dass sich die Bundeskanzlerin nach Monaten des Missvergnügens mit Warschau plötzlich so netter polnischer Gastgeber erfreuen durfte, hängt wohl mit dem neuen Mann im Weißen Haus zusammen, meint Lidové noviny:
„Womöglich hat das mit dem Spiegel zu tun, den US-Präsident Trump Europa vorhält. Die amerikanische Garantie für die Sicherheit Europas ist nicht mehr so klar wie früher. Da vergaß Jarosław Kaczyński, dass er Angela Merkel unlängst noch imperiale Ambitionen vorgehalten hat. Ihm wäre ein Merkel-Deutschland lieber als eines mit Martin Schulz. Der böte zwar Trump die Stirn, würde aber womöglich mehr Verständnis für die Offenheit des US-Präsidenten gegenüber Putins Russland aufbringen. Das ist ein Stück Spekulation. Es würde aber Kaczyńskis Worte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklären, wonach 'Frau Merkel für uns die beste Variante' wäre. Man bekommt bei all dem den Eindruck, dass Trumps vorgehaltener Spiegel Europas Instinkt zur Selbsterhaltung weckt.“
Merkel wirft Polen den Rettungsring zu
Die polnische Regierung braucht Merkel als starke Partnerin an ihrer Seite, mahnt Gazeta Wyborcza:
„Mit ihrem Besuch in Warschau wirft sie uns quasi einen Rettungsring zu, den unsere Regierung unbedingt mit beiden Armen auffangen sollte. ... Seien wir doch ehrlich zu uns selbst: Unsere geopolitische Lage ist nicht die Beste. Im Osten lässt Wladimir Putin die Muskeln spielen. Der Krieg in der Ukraine dauert an, und im Donbass sterben weiter ukrainische Soldaten, während die innenpolitischen Reformen nur im Schneckentempo vorankommen. Wir wissen nicht, ob Moskau in eine weitere Phase der Aggression tritt. Wir wissen nicht, wie lange die Ukraine noch ein stabiler Staat sein wird. ... Und Belarus bleibt ein unberechenbarer Pufferstaat.“