Annäherung zwischen Merkel und Putin?
Kremlchef Putin und Kanzlerin Merkel haben sich am Dienstag erstmals nach zwei Jahren wieder getroffen. Beide hoben in Sotschi die Bedeutung des Minsker Abkommens und der OSZE-Beobachtermission in der Ostukraine hervor. Während einige Kommentatoren in diesen Worten keinerlei Annäherung erkennen können, sprechen andere von einem pragmatischen Vorgehen zur Lösung der Konflikte in Syrien und der Ukraine.
Kein Durchbruch in Sotschi
Ernüchtert zeigt sich Polityka nach dem Treffen zwischen der Kanzlerin und dem russischen Präsidenten:
„Europas Regierungschefs sind sich uneinig, was die Politik gegenüber Russland betrifft. Nicht alle unterstützen Sanktionen wegen der rechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland. Angela Merkel steht für eine harte Politik in dieser Frage. In Sotschi wollte sie mit Putin nicht nur über den G20-Gipfel im Juli sprechen, sondern auch über die Ukraine, Syrien und Menschenrechtsverletzungen, konkret über Repressionen im muslimischen Tschetschenien gegenüber Homosexuellen. … Nach allem, was wir bisher über das Treffen wissen, gab es in keiner dieser drei Angelegenheiten - Syrien, Ukraine, Menschenrechte - einen Durchbruch, obwohl beiden daran gelegen ist.“
Da geht noch was
Pragmatismus ist eingekehrt in die deutsch-russischen Beziehungen, bilanziert das Handelsblatt nach dem Treffen - und findet das richtig. Denn ohne Kompromisse mit Russland ließen sich die Konflikte in der Ukraine und Syrien nicht lösen:
„Merkel muss Putin glaubhaft versprechen, die Ukraine zur Einhaltung der auch von Kiew sträflich vernachlässigten Pflichten im Minsker Abkommen zu drängen. Den nötigen Einfluss auf die Ukraine hat Europa potenziell, zumal sich die USA nach dem Amtsantritt Donald Trumps vom Ukraine-Konflikt distanzieren. In Syrien ist der deutsche Einfluss geringer, aber womöglich sind es auch die Gegensätze zwischen Moskau und Berlin. … Russland hat stets betont, sich nicht an die Person Assad zu klammern, wenn die Modalitäten des politischen Übergangs geregelt werden. Merkel muss also klären, wie echt dieses Bekenntnis ist und welchen Einfluss Russland - außerhalb seiner Militärbasen in Syrien - nach einer eventuellen Machtübergabe in Damaskus für sich beanspruchen will.“
Merkel feilt an ihrem Ruf
Dass Merkel sich mit Putin traf, hat für den Fraktionsvorsitzenden der lettischen moskautreuen Partei Harmoniezentrum, Jānis Urbanovičs, in Neatkarīgā vor allem innenpolitische Gründe:
„Die Kanzlerin versucht, die deutsche Nation zu bezaubern. Sie versucht zu beweisen, dass sie nicht nur die Mutti der Nation der Deutschen und der EU ist, sondern der ganzen Welt. ... Dem Ruf als Weltführerin ist nur schwer gerecht zu werden, ohne Kontakt zu den Bad Boys Trump und Putin aufzubauen. Deshalb hat Merkel die Reisetasche für Sotschi gepackt. Momentan steht viel auf dem Spiel und die Kanzlerin muss sich darauf verlassen können, dass zum G20-Gipfel in Hamburg [Anfang Juli] beide Großmachtführer die Gastgeberin persönlich besuchen werden. ... Egal wie das Endergebnis aussehen wird, Merkels Fahrt nach Sotschi beweist, dass die Großmachtführer die Außenpolitik den nationalen Bedürfnissen unterordnen.“