Noch keine neuen Kredite für Athen
Wenn sich am 15. Juni die Finanzminister der Euro-Gruppe treffen, soll endlich die Entscheidung über neue Kredite für Griechenland fallen. Europas Kommentatoren blicken angesichts der Uneinigkeit der Kreditgeber mit Skepsis in die Zukunft.
Deutschland will sich die Reste einverleiben
Die Strategie von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Sachen Griechenland-Hilfe ist für La Repubblica leicht zu durchschauen:
„Kurz vor dem Treffen griff er Athen an und warf Premier Tsipras vor, die reichen Reedereien von den Sparmaßnahmen auszuklammern und nur die sozial schwächeren Schichten zu belangen. ... Die Vorstellung, dass Deutschland, nachdem es sich des griechischen Hafensystems ermächtigt hat, sich nun auch die letzte 'Industrie', die Griechenland noch bleibt, einverleiben will, weckt böse Erinnerungen. Etwa an den Morgenthau-Plan, der nach dem Krieg Deutschland in einen reinen Agrarstaat verwandeln wollte. Eine Schäuble-Version von Morgenthau ist das Letzte, was die Griechen und vor allem die EU jetzt brauchen.“
Griechenland hat nur ein Jahr
Eleftheros Typos dagegen betont, dass die griechische Regierung endlich handeln muss:
„Die Antwort auf die Schuldenfrage verzögert sich bis zum Sommer 2018. Die EZB wird Griechenland [zunächst] nicht in das sogenannte Quantitative Easing [eine Konjunkturmaßnahme der Notenbank] aufnehmen, und das Einzige, worauf Tsipras hoffen kann, ist eine Rückkehr Griechenlands an die Märkte. … Voraussetzung dafür ist, dass Vertrauen in die Wirtschaft besteht, dass Investoren Bonds kaufen und sicher sein können, ihr Geld nach drei bis fünf Jahren zurückzubekommen. Dies aber scheint nicht der Fall zu sein, wie beim Investitionsstillstand und der kontinuierlichen Reduzierung von Einlagen zu beobachten ist. ... Griechenland muss bis zum Ende des dritten Sparmemorandums vollständigen Zugang zu den Finanzmärkten bekommen. Wir haben also zwölf Monate Zeit, um zu tun, was nötig ist, um einen Teil der Schulden zurückzuzahlen.“
Kein Interesse an einem echten Kompromiss
Seitens der europäischen Partner besteht kein Interesse an ernsthaften Verhandlungen, kritisiert der Ökonom Michel Husson in Alternatives Economiques:
„Aufgrund der Art und Weise, wie Griechenland verschaukelt wird, darf man nicht länger von Verhandlungen sprechen. Der griechische Minister könnte der Debatte, bei der die Standpunkte von IWF und EU-Kommission aufeinanderprallen, genauso gut fernbleiben. Kompromisslösungen werden nie ausgelotet, obwohl der IWF im Februar präzise Vorschläge für eine neue Tragbarkeit der griechischen Schulden gemacht hat: Verlängerung der Laufzeit auf 10 bis 30 Jahre, Aufschub der Zinszahlungen bis 2040, Deckelung der Zinssätze für 30 Jahre bei 1,5 Prozent. ... Dass solch ein Kompromiss derzeit außer Reichweite scheint, gibt uns eine Vorstellung davon, mit welcher Grausamkeit das griechische Volk behandelt wurde.“
Einigung mit Athen hat höchste Priorität
Die Minister der Eurozone fürchten immer noch die negativen Auswirkungen der von Athen geforderten Schuldenerleichterungen, kommentiert Adelina Marini in ihrem Blog euinside:
„Dahinter steckt vor allem fehlendes Vertrauen. Insbesondere Deutschland und die Niederlande fürchten, dass ein Schuldenschnitt die Reformen in Griechenland behindern und sich demoralisierend auf andere hoch verschuldete Länder der Eurozone auswirken könnte. Das ist auch der Grund, weshalb man es mit der vertieften Integration der Eurozone nicht eilig hat. … Auf kurze Sicht kommt es jetzt aber darauf an, dass man sich bis zum 15. Juni einigt, so dass im Juli die nächste Tranche von 7,3 Milliarden Euro an Griechenland fließen kann. Andernfalls wäre die ganze Mühe bisher umsonst gewesen.“
Schamlose Versprechungen des Premiers
Tsipras hat einst versprochen, sich eine Krawatte umzubinden, wenn der Schuldenstreit gelöst ist, und meinte vorige Woche, dass es nun bald dazu kommen würde. Für Protagon ist das eine Anmaßung:
„Tsipras schreckt nicht vor arroganten Vorhersagen zurück. Er ist bereit, alles zu akzeptieren, was man ihm für eine Schuldenregelung anbietet, um dies als eine neue Erfolgsgeschichte zu präsentieren. … So, wie man im Voraus jene Einigung gefeiert hat, die angeblich am Montag erreicht werden sollte - was nicht der Fall war -, so wird man auch die Einigung feiern, die angeblich im Juni kommen wird - egal wie die Lösung aussehen wird. Die gleichen Leute, die als Opposition die größte Schuldenstandsänderung in der Wirtschaftsgeschichte verschmäht haben [Beteiligung am Anleihenumtausch PSI 2012, der einem Schuldenschnitt entsprach] und sie danach, als sie an die Macht kamen, verteidigten, jubeln jetzt über etwas viel weniger Wertvolles, das von einem harten Sparpaket begleitet wird.“
Opfer des deutschen Wahlkampfs
Das Schicksal Griechenlands hängt nun wieder einmal von Berlin ab, stellt die Süddeutsche Zeitung fest:
„Das war in den vergangenen sieben Jahren schon öfters so. Doch diesmal gibt es eine gefährliche Mischung aus realpolitischen und wahltaktischen Motiven, die es so schwer macht, eine Lösung zu finden. Zum einen muss Merkel dafür sorgen, dass der IWF sich am mittlerweile dritten Kreditprogramm beteiligt - andernfalls würde sie einen Beschluss des Bundestages missachten. Zum anderen hat der Bundestagswahlkampf begonnen, was den politischen Spielraum erheblich einschränkt. … Ein Volk ist so zum Wahlkampf-Opfer geworden. Je länger sich das Gezerre um Schuldenerleichterungen hinzieht, desto schwieriger wird es für Griechenland, die bisherigen Reform-Erfolge zu bewahren. Solange die Unsicherheit so groß ist, kehrt auch kein Vertrauen zurück. Wer sollte denn auch investieren, wenn nicht klar ist, wie es mit diesem Land weitergeht?“
EZB sollte griechische Schulden kaufen dürfen
Einen Ausweg aus Griechenlands Schuldendrama skizziert Le Monde:
„Ideal wäre ein ordnungsgemäßer Teilschuldenschnitt für Griechenland. Vor der Wahl in Deutschland ist dieser allerdings nicht machbar - und danach ebenso wenig. Daher wird man sich einer Verlängerung der Kredite und einer Senkung der Zinssätze zuwenden. Es gibt jedoch eine Alternative, die zwar weniger ruhmvoll aber sehr effizient ist: Man müsste der Europäischen Zentralbank erlauben, griechische Schulden aufzukaufen - so wie sie es auch mit anderen Ländern der Eurozone macht. Das Manöver, das aus technischen Gründen eine Einbindung des Internationalen Währungsfonds erfordert, würde eine Senkung der griechischen Zinsen erlauben und eine Rückkehr Athens an die Finanzmärkte möglich machen. Damit würden für Griechenland zehn katastrophale Jahre der Unterwerfung enden.“