Woher rührt der tiefe Graben in Polens Politik?
Spätestens seit dem Streit um Polens Justizreform ist klar, wie tief die Gräben zwischen der Regierung und der Opposition im Land verlaufen. Europas Presse diskutiert, welche Ereignisse der Vergangenheit die jetzige politische Krise heraufbeschworen haben.
The winner takes it all
Lidové noviny zeigt sich weniger von der Justizreform irritiert als von der Art, Politik zu machen:
„Die tiefe Spaltung des Landes entstand nicht erst nach der Wahl 2015. Damals hörte man viel von Säuberungen in den öffentlich-rechtlichen Medien, aber auch von Demonstrationen dagegen. Ähnliche Säuberungen gab es nach jedem Machtwechsel, nur demonstrierte kaum jemand oder wandte sich an die europäischen Organisationen. An dem beschriebenen Politikstil tragen alle Regierungen der vergangenen 20 oder mehr Jahre Schuld. Jeder Gewinner wollte stets alles für sich, ganz so als wäre er für immer an der Macht. Die Regierungen vergaßen, dass sie nur auf Zeit gewählt waren und es keinen Sinne hatte, alles zu zerstören, was sie von ihren Vorgängern geerbt hatten. Mit der Justizreform hat sich dieses Problem noch zugespitzt.“
Liberaler Geist und nationalistische Seele
Für Ta Nea liegen die Wurzeln für Polens politische Krise in der Vergangenheit:
„Was derzeit in Polen passiert, hängt mit dem posttraumatischen Stress aus Zeiten des Totalitarismus zusammen, von dem das Land vor knapp 30 Jahren befreit wurde. Auch in der historischen Spaltung, dem ständigen Konflikt zwischen dem liberalen Geist und der nationalistischen Seele kann man nach Gründen suchen. Polen ist gespalten und derzeit regiert der in sich gekehrte, antieuropäische Teil Polens, verkörpert durch Kaczyńskis Marionetten, Präsident Duda und Premierministerin Szydło. … Das Veto des Präsidenten gibt der gestörten Verfassungsordnung Polens nun, was sie braucht: das nötige Gewicht und das Prestige für die Justiz. Damit diese nicht in Verruf gerät und die ganze Verfassung mit sich in die Tiefe zieht.“
Trump sei Dank
Dass Polens Regierung sich überhaupt so weit vorgewagt hat, ist auch dem Besuch des amerikanischen Präsidenten geschuldet, schreibt der linke Publizist Sławomir Sierakowski in Gazeta Wyborcza:
„Trump kam und bekannte sich zu Artikel 5 des Nato-Pakts, was aus offensichtlichen Gründen für Polen sehr wichtig ist. ... Es hätte keinen besseren Moment für die Umsetzung radikaler Reformen geben können. ... Trump ist für Kaczyński zum 'nützlichen Idioten' geworden. Für etwas Applaus hat der US-Präsident Kaczyński einen Erfolg beschert, den dieser für einen Anschlag auf Polens Demokratie genutzt hat. ... Es wäre gut, wenn Washington wüsste, woran es sich beteiligt hat. Und wenn es aufhörte, zu Fragen zu schweigen, die es selbst für fundamental erachtet.“