Was bewirkt Trumps Rede vor der Uno?
In seiner ersten Rede vor der UN-Generalversammlung hat Trump Nordkorea mit der "totalen Zerstörung" gedroht und für eine Weltordnung auf Grundlage "souveräner Nationalstaaten" geworben. Journalisten in und außerhalb Europas reagieren auf diese ungewöhnliche Rede vor einer Institution, die eigentlich für friedliche Kooperation steht, teils erzürnt, teils entzückt.
US-Präsident hat überzeugt
Die Rede wird ihre innen- und außenpolitische Wirkung nicht verfehlen, freut sich der Chefredakteur von Fox News, John Moody, auf dem Blog des Senders:
„Das war ein Präsident des Volkes. ... Und er sprach für sein Volk. Trumps Rede wird von einigen als hart und militaristisch kritisiert werden. Na und? Er hat gezeigt, dass er bereit ist, Abkommen zu schließen, aber wenn nötig auch militärisch einzugreifen, wie er es in Syrien getan hat. Vermutlich wird seine Rede das Vertrauen seiner Anhänger wiederherstellen und ihre Begeisterung neu entfachen. Gleichzeitig wird sie anderen wichtigen politischen Führern ein besseres Gefühl dafür geben, wer dieser ungewöhnliche und unkonventionelle Präsident wirklich ist, der die stärkste militärische Streitmacht der Welt hinter sich hat.“
Drohungen machen Lage noch instabiler
Aus Sicht von China Daily war die Rede Trumps alles andere als konstruktive Diplomatie:
„Trump sprach von einer 'Gruppe von Schurkenstaaten', die die 'Geißel unseres Planeten' seien und forderte die UN auf, Nordkorea stärker zu isolieren. Dabei geht der derzeitige gefährliche Stillstand gerade darauf zurück, dass Pjöngjang und Washington beharrlich ihre eigenen Interessen verfolgen und das Bemühen anderer Länder ignorieren, die beiden Antagonisten zu Gesprächen zusammen zu bringen. Seine Drohung, Nordkorea notfalls 'vollständig zu zerstören' wird die ohnehin instabile Lage noch verschlimmern. … In einer Zeit 'immenser Versprechungen, aber auch riesiger Gefahren' [wie Trump sie nannte], sollte er lieber darüber nachdenken, wie die USA konstruktiv mit anderen Ländern zusammenarbeiten können. Und zwar nicht nur mit denen, die bereit sind, seiner Führung zu folgen.“
Eine blühende Welt souveräner Staaten?
Für das Onlineportal Vzglyad war Trumps Rede eine Absage an die Globalisierung:
„Trump hat eine klare Vorstellung von einer neuen Weltordnung. ... Es ist eine Weltordnung, die mit Globalisierung nichts zu tun hat, und hier bleibt Trump sich treu. Er ist ein Gegner der Globalisierung und will Amerika die beinahe eingebüßte nationale Souveränität zurückgeben. Das bietet er auch den anderen Staaten an: Werdet stark, lasst uns eine sichere und blühende Welt souveräner Staaten verabreden. Trump will die amerikanische Führerschaft auf neuen Prinzipien aufbauen. Amerika soll nicht mehr die Vorhut der Globalisierung sein, die mithilfe seines Militärs, Hollywoods und des Dollars die Welt in eine goldene Zukunft führt. Stattdessen soll Amerika als stärkste Weltmacht die Interessen anderer souveräner Mächte gegen ihre regionalen Gegner schützen. Gegen den Iran, China oder Russland.“
Internationale Rechtsordnung ist Trump egal
Der Nationalismus der Trumpschen Maxime America First ist für De Volkskrant auf internationaler Ebene höchst gefährlich:
„Das von Trump stets wiederholte Schlüsselwort war Souveränität. Er legt dies so aus, dass man anderen Ländern nicht die eigenen Werte auferlegen dürfe. Für undemokratische Länder war das sicherlich wie Musik in ihren Ohren. Auch, wenn Trumps Plädoyer nur schwerlich mit seiner Drohung zu vereinbaren ist, gegen Venezuela vorzugehen, weil es seine Bevölkerung unterdrücke. ... Trumps internationaler Nationalismus ist ein Rezept für die Auflösung der internationalen Rechtsordnung. Es ist der Entwurf einer Welt, in der jeder tut, was er will.“
Bedrohung für die Menschheit
Schockiert über die Rhetorik Trumps vor der UN-Vollversammlung ist Gândul:
„Einem Land - auch wenn es Nordkorea ist - mit der 'völligen Zerstörung' zu drohen, ist beängstigend. Erst recht, wenn diese Drohung vom Präsidenten einer der weltweit wichtigsten Militär- und Nuklearmächte kommt. Und wenn diese ausgerechnet vor der Uno vorgetragen wird, einer Organisation, deren Auftrag eigentlich politisch-diplomatische Lösungen sind. Der Fakt, dass der Anführer des Weißen Hauses seine Twitter-Diplomatie auf die Uno-Tribüne hievt, ist bestürzend. Es wird immer deutlicher, dass dieser Mensch dringend Hilfe braucht. Donald J. Trump, der mit dem Nuklearfall droht, ist nicht nur eine Gefahr für ein einzelnes Land, das er von der Erde tilgen will, sondern für die gesamte Menschheit.“
Bruch mit allen Traditionen
Einen Paradigmenwechsel in der US-Außenpolitik erkennt ebenfalls Libération:
„Die Atomwaffendoktrin der USA sieht zwar im Fall der Verletzung vitaler Interessen der Vereinigten Staaten oder ihrer Verbündeter die Möglichkeit einer tödlichen Antwort vor. In den Konfrontationen zwischen Nuklearnationen, diesen 'Partien am Rande des Abgrunds', herrscht aber die kluge Tradition, die Worte behutsam zu wählen und jegliche unpassende Eskalation zu vermeiden. Gerade dank der sorgfältigen Abwägung seiner Worte hat John F. Kennedy die Kuba-Krise entschärft. Mit einem einzigen donnernden Satz wirft Trump die gesamte Tradition strategischer und verbaler Zurückhaltung über Bord.“
Destruktive Ausfälle statt globaler Führerschaft
Nur Kritik hat auch Politiken für die Rede des US-Präsidenten übrig:
„Derjenige, der noch Hoffnung hatte, Donald Trump könnte besser sein als sein Ruf, erwachte jäh durch die 41 Minuten lange Jungfernrede in der UN-Generalversammlung. Wir erlebten einen Präsidenten, der mehr Wert auf Drohungen und Beschimpfungen legte als auf Versöhnung und Vision. Damit hat Trump die Veränderungen in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik, die sich innerhalb nur eines Jahres vollzogen, nochmals unterstrichen: von der Vision zur Destruktion. ... Und das Klima? Während neue Unwetter im Vorgarten der USA wüten, huschte Trump über die globalen Klimaveränderungen hinweg. ... Es zeichnet sich das Bild ab, dass die USA von der jahrzehntelangen globalen Führerschaft nun zu einer Serie destruktiver Ausfälle wechseln.“
So aggressiv wie im Wahlkampf
Trumps Auftritt zeigte noch einmal glasklar auf, wie dieser denkt, findet der Tages-Anzeiger:
„Trump ist kein Ideologe, er verlor kein Wort über Menschenrechte und amerikanische Werte, wie das Präsidenten vor ihm taten. Jeder soll sich erst um sich kümmern, so die Idee Trumps, jeder soll innerhalb seiner Grenzen tun, was er will. Wer sich aber nicht daran hält, zahlt einen Preis. Donald Trumps Rede war eine Rede an seine republikanische Basis: undiplomatisch, laut, aggressiv. So hat er die Wahlen in den USA gewonnen, so wird er weiter regieren. Ob er sich in der Völkergemeinschaft mit diesen Worten durchsetzen kann, ist allerdings zweifelhaft. Die Vertreter der 193 Uno-Länder hoben immer wieder ihre Augenbrauen. Sie müssen sich an Trumps Ton erst gewöhnen.“