Was kann die EU ihren östlichen Partnern bieten?
Die EU und die sechs Länder der Östlichen Partnerschaft haben auf ihrem Gipfel in Brüssel eine Vertiefung ihrer Kooperation angekündigt. Gleichzeitig mahnte die EU demokratische Fortschritte in Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine an. Warum die Zusammenarbeit nicht richtig in Fahrt kommt, erläutern Kommentatoren.
Partnerschaft wurde naiv angegangen
Nach dem Gipfel zieht Diena ein Resümee des Programms:
„Den Mitgliedern der Östlichen Partnerschaft wurde angeboten, eine eindeutige politische Entscheidung zwischen Russland und der EU zu treffen. Und auf den Fluren der EU-Institutionen weiß man ganz genau, dass eine Entscheidung für Brüssel zu wirtschaftlichen Problemen in den Ländern führen wird. Die These, dass diese Entscheidung die wirtschaftlichen Beziehungen zu Moskau nicht beeinflussen wird, war von Anfang an naiv. Als weiteres großes Problem stellte sich heraus, dass ein Kurswechsel in dieser Frage nicht gleichzeitig eine Veränderung der Denkweise der politischen Eliten bedeutet. Das macht die Finanzspritzen für einen Teil der Partnerländer schwierig und wirft auch für die europäischen Wähler unangenehme Fragen auf.“
Bindungsängste hemmen die EU
Warum die EU-Integration der Länder der Östlichen Partnerschaft nicht so recht vorankommt, erklärt Politologe Vytautas Keršanskas in LRT:
„Die EU-Staaten und ihre Gesellschaften sind in der Frage der europäischen Integration gespalten. Den Nutzen des Assoziierungsabkommens wird man erst später sehen, die hohen Kosten fallen aber sofort an. Die EU ist auch nicht sicher, wie bedeutsam das Programm der Östlichen Partnerschaft für sie ist. Zwar ist es primäres Ziel des Programms, einen Ring von sicheren und wohlhabenden Staaten rund um die EU zu schaffen. Doch die Werte werden beiseitegeschoben: So war auch [der belarussische Präsident] Lukaschenko zu dem Treffen eingeladen - der Staatschef eines Landes, in dem es noch immer politische Häftlinge gibt.“
EU muss Hoffnungsstifterin bleiben
Damit die osteuropäischen Nachbarn den Reformkurs nicht verlassen, muss die EU ihnen positive Perspektiven bieten, fordert die vom früheren NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gegründete Gruppe "Freunde der Ukraine" in einem Appell, den auch Le Monde veröffentlicht hat:
„Die Regierenden in der EU wissen sehr gut, dass Reformen schmerzhaft sind und dass die Bürger sie nur akzeptieren, wenn sie Vorteile erkennen. Wenn die Gesellschaften in diesen Regionen ihre Zukunftshoffnungen nicht mehr auf die EU setzen, darf es nicht überraschen, wenn sie Volksvertreter wählen, die die entgegengesetzte Richtung einschlagen. Das beste Mittel, um sicherzustellen, dass unsere Nachbarn im Osten auf dem Reformweg bleiben, ist, dass die EU ihnen positive Perspektiven eröffnet. Für die EU ist es Zeit zu handeln und zu zeigen, dass sie bei ihren Nachbarn weiterhin als hoffnungsstiftende Triebkraft fungiert.“
Roaminggebühren abschaffen, Märkte öffnen
Wie positive Signale der EU in Richtung ihrer östlichen Partner aussehen können, erklärt der litauische Diplomat und ehemalige EU-Botschafter in Russland Vygaudas Ušackas in Delfi:
„Wir verstehen, dass es aus verschiedenen Gründen zu früh ist, den Ländern eine Mitgliedsperspektive zu geben. Aber um sie zu motivieren und ihnen einen positiven Impuls für ihren Reformkurs zu geben, können wir unseren östlichen Partnern auf andere Art und Weise ein Gefühl der territorialen Zugehörigkeit vermitteln. Zum Beispiel mit einer Abschaffung der Roaminggebühren. So könnten sie sich allmählich in den digitalen EU-Markt, in die Energie- und in die Zoll-Union integrieren. Es ist Zeit, die Trägheit durch Ambitionen zu ersetzen und so den Glauben an und das Vertrauen in die EU wieder zurückzugeben.“