Auflodernder Antisemitismus in Europa
Die Entscheidung der US-Regierung, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, hat in Europa vielerorts zu heftigen Reaktionen geführt. In Göteborg bewarfen maskierte Jugendliche eine Synagoge mit brennenden Gegenständen, in Berlin wurden bei Protesten israelische Flaggen verbrannt und antisemitische Parolen skandiert. Europas Kommentatoren sorgen sich angesichts der Vermischung von Israel-Kritik und Antisemitismus.
Mehr Wachsamkeit vonnöten
Göteborgs-Posten hält die Naivität vieler Politiker und Journalisten bei diesem Thema für hochgefährlich:
„Niemals darf Antisemitismus bagatellisiert werden, so wie von [dem früheren sozialdemokratischen Bürgermeister] Ilmar Reepalu in Malmö. ... Angezeigt ist höchste Wachsamkeit bezüglich der Art und Weise, wie Politiker und Medien sich über Israel und angebliche Verbindungen zu Juden in anderen Teilen der Welt äußern. Ein auf Schlendrian beruhender Antisemitismus ist nicht akzeptabel. ... [Der Journalist] Adam Cwejman hat es in Göteborgs-Posten kürzlich so ausgedrückt: 'Die ideologische Infrastruktur zur Belebung des Antisemitismus wird bereitwillig von ahnungslosen schwedischen Medien geliefert, die Juden und Israel in einen Topf werfen'.“
Kritik an Israel ist oft nur ein Vorwand
Hinter Kritik an Israel steckt oft Antisemitismus, warnt Hürriyet Daily News:
„Es war schon immer ziemlich schwierig, sich wegen des antisemitischen Aspekts pro-palästinensischer Politik besorgt zu zeigen. Dabei ist in der Türkei Antizionismus bereits seit Langem ein Deckmantel für Antisemitismus. Leider haben die jüngsten Kontroversen über Jerusalem den Weg für lautstarke antisemitische Äußerungen in der Türkei geebnet. Wir sollten uns eingestehen, dass die Kritik an Israels Politik oft dazu missbraucht wird, Antisemitismus zu verstecken - insbesondere in Ländern mit muslimischer Mehrheit. ... Und wir sollten alle darüber besorgt sein, dass Antisemitismus unter dem Vorwand legitimiert wird, dass man ja auf Trumps vollkommen inakzeptable Jerusalem-Entscheidung reagieren müsse.“
Nicht zaudern, sondern handeln
Der Stern empört sich über die lasche Reaktion der Politik auf antisemitische Entwicklungen in Europa:
„Antisemitische Übergriffe bis hin zum Mord ... gehören schon lange zu unserer europäischen Realität. ... Es gibt keine Entschuldigung, keine Erklärung, keinen Grund, länger zu warten mit klaren Ansagen und ja, auch mit entschlossenem Handeln. Jedem Menschen, der in Europa Heimat finden möchte, muss klar gemacht werden, dass Antisemitismus hier nicht nur nicht geduldet, sondern aktiv bekämpft wird. Wenn wir weiter relativieren, zaudern und betonen, dass diese Übergriffe ja nur überzogene Reaktionen auf politische Ereignisse seien, üben wir Verrat an unserer gesamteuropäischen Verantwortung, an unserem gemeinsamen Schwur von 1945: Nie wieder.“
Judenhass mit der Muttermilch aufgesogen
In Expressen bezweifelt die Kommentatorin Naomi Abramowicz, dass Judenhass sich stoppen lässt:
„Die Bemühungen [im Kampf gegen Antisemitismus] richten sich oft an Menschen aus dem Nahen Osten, die Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen haben. Die Prämisse der Initiativen ist, dass man die Menschen neu programmieren kann. ... Aber sind die Menschen wirklich so rational und bereit, eine Meinung zu ändern, weil ihnen neue Informationen präsentiert werden? Ich wünschte, es wäre so einfach, aber ich bin skeptisch.“