Katalanen wählen Regionalparlament
Laut Umfragen werden bei der Regionalwahl in Katalonien am heutigen Donnerstag weder die Befürworter noch die Gegner der Unabhängigkeit eine Mehrheit erhalten. Der von Madrid abgesetzte Regionalpräsident und prominenteste Spitzenkandidat, Carles Puigdemont, hält sich weiter in Brüssel auf. Kann diese Wahl den Streit über Katalonien beilegen?
Ergebnis muss allseits anerkannt werden
Die Bürger dürfen die Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts nicht aufgeben, fleht Esther Vera, Chefredakteurin der katalanischen Tageszeitung Ara:
„Angesichts des zu erwartenden Patts zwischen den verschiedenen Parteien und der Schwierigkeit, daraus Pakte zu schließen, mögen viele Bürger am Sinn ihrer Stimmabgabe zweifeln. Doch das wäre ein Fehler. Die Katalanen - ob für oder gegen die Unabhängigkeit - müssen immer wieder klarstellen, dass es sich hier um einen politischen Konflikt handelt, der eine politische Lösung braucht und allein mit demokratischen Mitteln angegangen werden darf. In dieser außergewöhnlich aufgewühlten Stimmung wird die heutige Stimmabgabe stark durch Protestwähler und Emotionen beeinflusst sein, was das Ergebnis unvorhersehbar macht. Doch wie auch immer die Wahl ausgehen wird, das Ergebnis muss von allen Seiten anerkannt werden.“
Zurück zur Rolle als Spaniens Motor
El País hofft, dass die Regionalwahl in Katalonien einen Wandel herbeiführt:
„Es liegt nun an den Bürgern, in möglichst großer Zahl zur Urne zu schreiten. Dabei sollten sie bedenken, dass sich der separatistische Albtraum besser von denjenigen beseitigen lässt, die sich an spanisches und regionales Recht gehalten haben, und nicht von denjenigen, die das Chaos herbeigeführt haben. ... Vom Ausgang dieser Wahl hängt ab, ob Katalonien wieder seine traditionelle Rolle in Spanien einnimmt, als Antriebswelle für Wirtschaftswachstum und Erneuerung. Leider ist das im Moment nicht so sicher. Es hängt von der Entscheidung der Wähler ab.“
Aufbegehren der Katalanen betrifft uns alle
Hinter den separatistischen Bestrebungen in Katalonien steckt ein Aufbegehren, das nach Antworten verlangt, mahnt Corriere della Sera:
„Man kann nicht so tun, als sei nichts gewesen. Im Gegenteil: Es ist an der Zeit, sich zu fragen, wie es überhaupt so weit kommen konnte und was die Alternativen zu Rajoys Schlagstöcken, Merkels sparpolitischer Strenge und der Technokratie der Institutionen sind, um solchen Spannungen entgegenzuwirken. ... Denn die Zeit der Revolte gegen das Establishment ist noch nicht vorüber. Auslöser des katalanischen Aufbegehrens waren auch die Wirtschaftskrise, der Mangel an Ressourcen, der nie nachlassende Steuerdruck, die Chancenlosigkeit der jungen Generation. Diese Fragen betreffen uns leider alle. Doch sie verlangen andere Antworten als Sparpolitik, Bürokratie und Wahrung der bestehenden Ordnung.“
Separatismus an der Urne legitimieren
Der Chefredakteur von La Croix, Guillaume Goubert, blickt der Regionalwahl in Katalonien hoffnungsvoll entgegen:
„Im Gegensatz zu Gewaltakten ist der Urnengang für Katalonien ein fortschrittlicher Weg. Dies suggeriert jedenfalls das Beispiel Korsika. So lange die Forderungen nach Autonomie und Unabhängigkeit durch Gewalt ausgedrückt wurden, ist nicht viel passiert, da die Regierenden der Französischen Republik sie leicht als unzulässig abtun konnten. Seitdem die Attentate auf der Insel aufgehört haben, ist die Legitimität der Autonomieforderungen gewachsen, was kürzlich sogar in einem klaren Wahlsieg kulminierte. Die Zukunft ist zwar ungewiss, sie kann jedoch in Ruhe entworfen werden.“
Zeit für neue politische Köpfe
Angesichts des zu erwartenden knappen Ergebnisses werden nach Ansicht von El Periódico de Catalunya zwei Dinge nötig sein:
„Wenn die Umfragen nicht völlig falsch liegen, wird es einen zweiten Wahlgang geben müssen, um Katalonien aus der Sackgasse zu führen. Die Wahlen am 21. Dezember können nur Wegbereiter sein für eine weitere Wahl ohne extravagante Listen und aufgebauschte Emotionen. Um die katalanische Krise zu überwinden, bedarf es außerdem neuer Gesichter und Namen. Und im Moment stehen auf den bunt schillernden Listen nur diejenigen zur Auswahl, die Teil des Problems waren. Nun versprechen sie Lösungen. Unmöglich.“
Katalanen müssen Separatismus begraben
Die zentralistische Tageszeitung ABC beschwört die Wähler, den separatistischen Eskapaden ein Ende zu setzen:
„Katalonien hat die einmalige Chance, per Stimmabgabe denjenigen Abgeordneten eine Mehrheit zu geben, die für die Einhaltung der Verfassung stehen und den separatistischen Albtraum beenden wollen, der die Region in den Ruin führt. ... Die absurde Erfahrung vom [Referendum am] 1. Oktober darf kein Vorbild sein. ... Die Katalanen stimmen in Freiheit ab. Und wenn sie sich erneut irren, indem sie den Separatisten die Mehrheit verschaffen, sollten sie wissen, dass der Artikel 155 [mit dem Madrid die regionale Autonomie aufhob und die Regionalregierung absetzte] in Kraft bleibt, weil eine einseitige, anachronistische und schädliche Abspaltung gesetzlich verboten ist.“