Ankara blockiert Erdgaserkundung vor Zypern
Türkische Kriegsschiffe blockieren seit Freitag die Erdgaserkundung in zyprischen Hoheitsgewässern. Ein italienischer Energiekonzern hatte den Fund eines massiven Gasfelds in dieser Region bestätigt. Die Rechte der Zyperntürken an den Ressourcen müssen verteidigt werden, meinen regierungstreue türkische Medien. Zyperngriechische Journalisten fühlen sich von der EU im Stich gelassen.
Angriff auf die Rechte der türkischen Zyprer
Die Erdgaserkundungen sind für die Türkei vollkommen inakzeptabel, erklärt die regierungstreue Tageszeitung Daily Sabah:
„Griechisch-Zypern hat das östliche Mittelmeer in 13 Parzellen eingeteilt, inklusive den Küsten vor Türkisch-Zypern, und die Parzellen für Erdgasbohrungen freigegeben. Doch weder die Türkei noch Türkisch-Zypern akzeptieren dieses Parzellen-System und haben, weil es gegen internationales Recht verstößt, notwendige Warnungen ausgesprochen. ... Mit solchen Manövern missbraucht Griechisch-Zypern leider einige EU-Bohrunternehmen, während die EU der Situation weiterhin gleichgültig gegenübersteht. ... Auf der Insel Zypern wohnen nicht nur griechische Zyprer. Daher verletzen Bohrungen, die nur den Interessen der griechischen Zyprer dienen, die Rechte der türkischen Zyprer.“
Keine Hilfe von Außen in Sicht
Die Politiker Zyperns resignieren allmählich, beobachtet Cyprus Mail:
„Die Regierung und die politischen Parteien haben nicht nur ihre Rhetorik über die türkischen Aktionen in der zyprischen Ausschließlichen Wirtschaftszone gemildert, sie haben auch aufgehört, öffentlich über die jüngsten Provokationen zu sprechen. Vielleicht liegt es daran, dass sie erkannt haben, dass Zypern in einer sehr schwachen Position ist und dass alle Worte hohl klingen, da sie nicht von Taten unterfüttert werden können. ... Die diplomatischen Bemühungen werden kaum zu Ergebnissen führen. Kein Land und keine Organisation - mit Ausnahme einer zahmen Verlautbarung der EU - haben die Maßnahmen der Türkei verurteilt. Die allgemeine Botschaft der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Uno, lautet: Findet eine Lösung des Zypernproblems, damit solche Vorfälle vermieden werden.“
Zypern leidet am Stockholm-Syndrom
Den Vorwurf, dass Zypern es sich in einer Opferrolle bequem gemacht hat, erhebt Phileleftheros:
„Was sollen denn UN und EU tun, wenn das Opfer an einer Art des Stockholm-Syndroms leidet, die Misshandlung akzeptiert und die dramatische Rolle des Schwachen haben will? Wann haben wir die EU aufgefordert, Sanktionen zu verhängen und sie hat es nicht akzeptiert? Wann haben wir gegen die Türkei ein Veto eingelegt und [die EU] hat es nicht akzeptiert? Wann haben wir in einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat nach etwas verlangt und es wurde von der Mehrheit abgelehnt? Durchtränkt von Elend und Selbstmitleid, sind wir der Gnade eines unersättlichen Nachbarns mit expansiven Bestrebungen überlassen.“
Mit Diplomatie die Eskalation verhindern
Nikosia und Athen müssen dringend die Spannungen mit Ankara auf diplomatischer Ebene beseitigen, mahnt Kathimerini:
„Damit die Reaktionen des geschwächten Griechenlands und des kleinen Zyperns Wirkung haben, müssen sie das Beste aus ihrer EU-Mitgliedschaft und der Partnerschaft mit Israel und Ägypten sowie aus ihren Beziehungen zu den USA machen. Die Spannungen zwischen Washington und Ankara bieten Chancen, bergen aber auch Risiken. Zum Beispiel, dass der Einfluss der USA auf die Türkei nachlässt. Was aktuell in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns geschieht, ist äußerst gefährlich. Um einen Zwischenfall zu vermeiden, sind diskrete Planung und vorsichtige Bewegungen hinter den Kulissen notwendig.“
Europa hat sich in der Türkei getäuscht
Warum hat Europa noch immer nicht begriffen, dass es aus ist mit der Freundschaft zur Türkei, fragt Lucio Caracciolo, Experte für Geopolitik, in La Repubblica:
„Der Grund liegt in dem falschen Bild, das wir uns von der Türkei gemacht haben. Es hat uns jahrzehntelang dazu verleitet, das Land als Vorposten des Westens zu betrachten, als atlantischen Bündnispartner, den es früher oder später in die EU aufzunehmen gilt. Dabei hat Ankara schon seit Mitte der 1990er Jahre und dann explizit unter Erdoğan zu seiner imperialen Berufung zurückgefunden. ... Neo-osmanisch, pantürkisch und panislamisch. Für den türkischen Präsidenten ist nicht Brüssel der Bezugspunkt, die 'Hauptstadt' einer Europäischen Gemeinschaft im Zustand der allmählichen Auflösung. Seine Vorbilder sind vielmehr Mehmet der Eroberer [von Konstantinopel] oder [Sultan] Süleyman der Prächtige.“
Republik Zypern ist machtlos
Obwohl die EU Ankara aufgerufen hat, die Blockade aufzuheben, sieht Cyprus Mail Zypern im Stich gelassen:
„Die schmerzhafte Wahrheit ist, dass die Verantwortung für die Verteidigung der Hoheitsrechte der Republik Zypern und die Gewährleistung der Sicherheit des Bohrschiffes allein bei der Republik Zypern liegen und kein anderes Land dies für uns übernehmen wird. Aber weil wir nicht in der Lage sind, dies zu leisten, wird Ankara das Sagen haben. Auch wenn es die völlige Missachtung des Völkerrechts bedeutet. Die Tatsache, dass die Saipem 12000 sich nicht von ihrer Position bewegt hat, an der sie vor fünf Tagen von den türkischen Kriegsschiffen angehalten wurde, weist darauf hin, dass wohl die Türken diktieren werden, wie das Problem gelöst werden soll.“
Wer unterstützt die Türkei?
Auch Politis bezweifelt, dass die internationale Unterstützung in diesem Konflikt der Republik Zypern zugute kommt:
„Die Türken warnen die Italiener, dass sich ihre Erkundungsplattform aus Sicherheitsgründen nicht in die gewünschte Richtung bewegen kann, weil dort eine Militärübung stattfindet. Dieser Schritt ist eine ungeheuerliche internationale Unrechtmäßigkeit, aber das ist noch nicht das Schlimmste. Denn es ist noch immer nicht gewiss, wie weit die Türkei diese Provokation treiben wird. ... Hat die Türkei den Schritt selbst unternommen? Wird ihr Verhalten von anderen Ländern geduldet? Und falls Ankara entsprechende Toleranz genießt, womit hat es sie erworben?“
Erdgas verschärft die Spannungen
Warum es zur aktuellen Zuspitzung des Konflikts kam, erörtert Il Sole 24 Ore:
„Der türkische Energiekonsum wächst stetig, doch bisher blieb Ankara beim Wettlauf um die Erdgasbohrungen außen vor, der sich unter einer Reihe anderer Staaten des östlichen Mittelmeers abspielte: Israel, wo die Gasfelder Leviathan und Tamar entdeckt wurden; Ägypten, das dank des Gasfelds Zohr kein Erdgas mehr importieren wird; und nun auch Zypern, die Insel, die Ankara seit jeher dem griechischen Einfluss zu entziehen versucht. Noch heute ist Zypern geteilt, mit Nordzypern unter türkischer Kontrolle. Der Streit um die Hoheitsgewässer ist nur ein Aspekt der Auseinandersetzung. Die Gasentdeckungen rücken ihn aber in den Vordergrund.“