Wieviel Frieden steckt im Syriengipfel?
Die Präsidenten Russlands, der Türkei und des Iran haben sich auf ihrem Gipfel in Ankara für einen raschen Frieden in Syrien ausgesprochen. Dabei kamen aber auch ihre unterschiedlichen Interessen zum Ausdruck. Kommentatoren kritisieren, dass Europa nicht entscheidend mitredet, und erklären, warum Russland und der Iran den Krieg gleich zweimal gewonnen haben.
Niemand handelt hier uneigennützig
Alle drei Gipfelteilnehmer haben ihre ganz eigenen Interessen in Syrien, analysiert Večer:
„Russland möchte sich langsam von den Schlachtfeldern zurückziehen, jedoch keinesfalls komplett aus Syrien, wo es mindestens zwei strategisch wichtige Stützpunkte behalten will. Dem Iran geht es um die Vorherrschaft im ewigen Konflikt zwischen den schiitischen und den sunnitischen Muslimen. ... Die Türkei hat sich im Namen des Schutzes der eigenen Grenze auf einen militärischen Marsch in den Norden Syriens gemacht. Doch nicht wegen der Grenze, sondern wegen der dortigen Kurden, die davon träumen könnten, sich mit ihren Brüdern im Iran, Irak und natürlich der Türkei zu vereinen und einen kurdischen Staat zu gründen. Ankara, ähnlich wie Teheran, Bagdad und Damaskus, wird sich darauf niemals einlassen. ... Die einzig gute Nachricht ist, dass das Blutvergießen wahrscheinlich bald zu Ende gehen wird.“
Europa bleibt außen vor
Mit dem Dreiergipfel wird erneut deutlich, dass Europa nie eine echte Syrienstrategie entwickelt hat, konstatiert der Türkei-Korrespondent des Handelsblatts, Ozan Demircan:
„Es ging erst darum, die friedliche Revolution zu unterstützen, dann darum, Assad zu Fall zu bringen, später darum, die vielen Flüchtlinge aufzunehmen, und jetzt geht es darum, diplomatischen Druck zu erzeugen, wo die Diplomatie längst aufgehört hat. Der Einfluss aus Brüssel, Berlin oder Paris schrumpft derweil immer weiter. Europa ist, offen gesagt, im Syrienkonflikt zu einem reinen Geber geworden, der die Kriegsverbrechen anderer aufräumen darf. Russland, der Iran und die Türkei sorgen für Unruhe, Europa nimmt anschließend die Schutzsuchenden auf und bezahlt andere Länder wie die Türkei dafür, dass es nicht noch mehr werden. Eine 'Arbeitsteilung', die nicht gerade befriedigend ist.“
Gipfel auch gut für EU-Länder
Anstatt den Dreiergipfel zu verteufeln, sollte die EU ihn als Ergänzung ihrer eigenen Politik sehen, fordert Hürriyet Daily News:
„Am besten bekommt man vielleicht, was man will, wenn man zeitgleich handelt - ohne darauf zu warten, dass der andere den ersten Schritt macht. Anstatt also zu versuchen, den Astana-Prozess zwischen der Türkei, Russland und dem Iran [für Frieden in Syrien] zu ignorieren, sollte die EU vielleicht versuchen, ihn zu unterstützen. Alle drei Präsidenten betonten gestern, dass der Astana-Prozess keine Alternative zum Genfer Prozess ist, sondern lediglich eine Ergänzung zu ihm. Wenn dieser Prozess auf das Wohl der Bevölkerung in der Region abzielt, dann bedeutet das, dass er auch gut für die Sicherheit der EU-Länder ist.“
Gegner des Westens ziehen Türkei auf ihre Seite
Das Dreierbündnis ist das größte Paradox des Syrien-Kriegs, findet Nahost-Experte Alberto Negri in Il Manifesto:
„Ein Land, das seit den 1950er Jahren Mitglied der Nato und ein Bollwerk der Allianz gegen Moskau ist, einigt sich mit Russland und dem Iran, dem Erzfeind der USA und Israels. Oder anders gesagt: Die Türkei, ein Land des Atlantischen Bündnisses, geht einen Pakt mit den - wahren oder vermeintlichen - Gegnern des Westens ein, um Syrien in Einflusszonen aufzuteilen. ... Sollte der Plan aufgehen, bedeutet das, dass Russland und Iran den Krieg in Syrien gleich zweimal gewonnen haben. Der erste Sieg war, Assad an der Macht gehalten zu haben. Der zweite besteht darin, eine tragende Säule der Nato auf ihre Seite zu ziehen. Die Türkei beherbergt nicht nur Nato-Stützpunkte, sondern auch US-Raketen, die gegen Moskau und Teheran gerichtet sind.“