Trumps Angriffsdrohung: Zieht Europa mit?
Nach Trumps Drohung, Moskau solle sich auf einen Raketenangriff in Syrien einstellen, ist die US-Regierung offenbar gespalten und noch zu keiner Entscheidung über einen Militäreinsatz gelangt. In Europa stellt man sich indes die Frage, wie sich die Verbündeten der USA verhalten sollen. Kommentatoren richten ihr Augenmerk dabei insbesondere auf Frankreich, Deutschland und Großbritannien.
Verwirrender Zickzack-Kurs
Der unklare Kurs von Trump in Syrien macht es den europäischen Verbündeten der USA nicht leicht, analysiert De Volkskrant:
„Die europäischen Länder stehen zum ersten Mal vor der Entscheidung, wie sie in einer Kriegssituation mit Trump umgehen müssen. Anders als bei seinen Vorgängern ist undeutlich, was er tun will. ... Gerade für die Briten steht viel auf dem Spiel. Nach dem Brexit will das Land der Vorreiter für Freiheit, Friede und Fortschritt in einer unruhigen Welt sein. Die größte Herausforderung für May ist derzeit das 'besondere Band' mit den Amerikanern. Sie will eine gute Beziehung zu Trump, aber sie muss sich auch davor hüten, wie ein Sklave hinter ihm herzulaufen. Jeder weiß, wie es Tony Blair erging nach seiner Unterstützung der Invasion im Irak unter George W. Bush.“
Merkels Zurückhaltung ist richtig
Bei der Suche nach einer eigenen Position sollten die Europäer Merkel folgen, empfiehlt die Badische Zeitung:
„Während Frankreich und Großbritannien Trump einhegen wollen, indem sie ihm militärisch beispringen, versucht die Regierung Merkel den Mittelweg. Kanzlerin und Außenminister haben sich eingereiht ins Lager der Verbündeten und doch zugleich klargemacht, dass die militärische Option für sie keine ist. Mancher mag darin jenes Lavieren erkennen, das man Deutschen im Ausland gerne vorwirft. Diese vorsichtige Position berücksichtigt jedoch, dass es eine militärische Lösung in Syrien nicht gibt. Und sie erhöht die Chance, mit Russland bei aller Härte doch im Dialog zu bleiben. Gut so.“
Frankreich sollte lieber vermitteln
Macron hat Trump bereits seine Unterstützung zugesichert. Er könnte damit einen außenpolitischen Kurswechsel einleiten, fürchtet Militärexperte Hadrien Desuin in Causeur:
„Die USA und Russland wollen sich nicht auf einen Untersuchungsauftrag für die OPCW einigen, die internationale Organisation zur Überwachung des Verbots von Chemiewaffen. Frankreich würde seiner Rolle gerecht, wenn es dafür sorgen würde, dass die beiden Großmächte zum Gespräch zusammenkommen. ... Wenn Frankreich Syrien ohne UN-Mandat bombardiert, wäre dies eine wahrhaft neokonservative Wende in der Außenpolitik Emmanuel Macrons. Und der erste große außenpolitische Fehler seiner Amtszeit. Bislang verfolgte der Präsident das Ziel, unser Land in eine ausgleichende Macht zu verwandeln. Der moralische Interventionismus würde mit der gaullistischen Tradition brechen und an den Okzidentalismus von Sarkozy und Hollande anknüpfen.“
Macron drängelt sich vor
Der Eifer des französischen Präsidenten, mit dem er sich auf die Seite der USA schlägt, ist für Europa kontraproduktiv, glaubt Franco Venturini, Experte für internationale Politik. Er schreibt in Corriere della Sera:
„In diesem Fall scheint vor allem die Ambition eine Rolle zu spielen, der privilegierte europäische Ansprechpartner der USA zu werden - anstelle von Merkel, deren Verhältnis zum Weißen Haus eher getrübt ist, auch wenn sie eine baldige Reise in die USA plant. Das ist nicht unbedingt im Interesse eben des Europas, das Macron eigentlich mutig zu reformieren gedenkt. Und es wird Trump kaum dazu bringen, am 12. Mai bei der Debatte zum Iran-Abkommen ein Auge zuzudrücken. Im Gegenteil. Der Iran könnte, jetzt wo John Bolton Trump berät, als nächstes ins Visier genommen werden.“
Bitte kein naives Hoffen auf die Uno!
An einer harschen Reaktion führt kein Weg vorbei, glaubt The Sun:
„Es muss nicht unbedingt ein konventioneller Militärschlag sein. Wenn sich allerdings eine internationale Koalition bilden sollte und solide Geheimdienstinformationen nahelegen würden, dass eine gezielte, begrenzte Aktion das Chemiewaffenarsenal von Baschar al-Assad zerstören könnte, dann würde diese Zeitung eine britische Beteiligung befürworten. Cyberangriffe könnten womöglich ebenso wirksam sein. Eines ist jedenfalls sicher: Darauf zu warten, dass die Uno diese Krise löst, ist illusorisch. Russland hat jahrelang sein Veto gegen Resolutionen eingelegt, die das syrische Regime verurteilen. Wir dürfen uns nicht davor fürchten, uns für das moralisch Richtige einzusetzen.“
Ein grausames Versuchslabor
Turun Sanomat beklagt denn auch die Unfähigkeit des UN-Sicherheitsrats, zu einer Lösung im Syrien-Krieg beizutragen:
„In der Nacht von Montag auf Dienstag konnte sich der Sicherheitsrat nicht auf Untersuchungen in Douma einigen, bei denen der Einsatz chemischer Waffen unparteiisch überprüft worden wäre. … Die Maßnahmen der Großmächte und somit auch des Sicherheitsrats erscheinen würdelos und kindisch in einer Situation, in der das Töten unschuldiger Zivilisten ins achte Jahr geht. Syrien ist zum Spielplatz und Versuchslabor geworden, in dem auf Kosten der Zivilisten Waffen, militärische Leistungsfähigkeit und die Größe der Egos der Anführer getestet werden.“
Es droht ein Krieg der Großmächte
Der Krieg in Syrien könnte nun ganz andere Ausmaße bekommen, warnt Gość Niedzielny:
„Alle wissen, dass sich das syrische Drama nicht lösen lässt ohne den Iran und vor allem Russland, das Assad geholfen hat. Ein entschiedener Angriff der USA auf syrische Ziele soll ein Versuch sein, die Verluste wieder gutzumachen. Nur droht nun ein viel ernsterer Konflikt. Dieses Mal kann es zu einer direkten Konfrontation der Großmächte kommen. Natürlich auf fremdem Terrain. Und wie immer mit Opfern unter der Zivilbevölkerung - viel mehr Opfern als durch so manch einen mutmaßlichen Angriff mit Chemiewaffen.“
Nicht zu Trumps Handlanger werden
Dass sich Europa von Trump distanzieren muss, mahnt die taz:
„Trump der als Nicht-Interventionist und Kriegskritiker in den Wahlkampf gezogen war, hat seit seinem Amtsantritt nicht nur die Zahl der US-Soldaten in Afghanistan aufgestockt. Er hat jetzt auch ein Kabinett zusammengestellt, das so bellizistisch ist, dass es ein neues Unsicherheitsrisiko für die Welt darstellt. … Würde die internationale Gemeinschaft Trump in seiner jetzigen Forderung nach einem Luftschlag in Syrien folgen, würde das dem angeschlagenen US-Präsidenten zu Hause jene Aufwertung verschaffen, die er in diesem Wahljahr dringend braucht. Aber für die künftigen Beziehungen mit dem Iran, mit Russland und letztlich auch mit Nordkorea könnte es unberechenbare Folgen haben. Anstatt sich auf einen derart gefährlichen Partner zu verlassen, wären die europäischen Länder gut beraten, endlich eigene Strategien zu entwickeln.“
Erst schießen, dann aufklären?
Die Tageszeitung Kurier kritisiert die US-Drohungen als einen weiteren Fall immer hektischerer Vorverurteilung:
„Woran liegt die in jüngster Zeit verbreitete Usance, zuerst zu schießen und dann zu fragen, zuerst mit dem Finger zu zeigen und dann zu verifizieren? Man muss kein Putin-Freund sein, um festzustellen: Der Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Skripal und seine Tochter riecht verdammt nach russischem Geheimdienst - aber reicht riechen für das Furioso, das die britische Premierministerin und die halbe EU gegen Moskau entfesselt haben? Man muss kein Assad-Verteidiger sein, um festzustellen: Wird schon so gewesen sein, aber reicht 'wird schon' für ein Eingreifen des Westens in Syrien, wo es hundert Anlässe gegeben hätte, zu denen der Westen nicht eingriff?“
USA haben Erfahrung mit Rückziehern
Die USA könnten sich auch dafür entscheiden, Syrien nicht anzugreifen, hofft Ria Nowosti:
„Im fernen Jahr [der Kubakrise] 1962, als ein Weltkrieg plötzlich zur realen Gefahr wurde, verstanden die USA es, einzuhalten und den Rückwärtsgang einzulegen. ... Und als kürzlich im Konflikt mit Nordkorea die USA auch Flugzeugträger schickten und drohten, 'das Regime zu vernichten', konnten sie auch stoppen. ... Es gibt Grund zur Hoffnung, dass die Führung des westlichen Hegemons mit Ablauf von 'Trumps 48 Stunden' die Kraft hat, Youtube ab- und die Logik anzuschalten. Und ihre Kriegsbegeisterung von der Realität zu trennen. Denn, so berichtete die Times, sogar die britische Premierministerin May, die nicht die tragischen Erfahrungen ihres Vorgängers im Irak wiederholen möchte, 'hat Trump nach realen Beweisen gefragt'.“