Wie riskant ist Trumps Außenpolitik?
US-Präsident Trump steht nach dem Gipfel in Helsinki weiter unter Druck und weist die in den USA über Parteigrenzen hinweg negative Bewertung des Treffens zurück. Auch die meisten Kommentatoren sehen Trumps Außenpolitik äußerst kritisch. Doch es gibt auch Ausnahmen.
Charme-Offensive war genial
Trump weiß genau, was er tut, verteidigt der christlich-konservative Autor Mike Evans den US-Präsidenten in The Jerusalem Post:
„Was haben die Trump-Hasser eigentlich von ihm erwartet? Dass er auf der Pressekonferenz Putin beleidigt? Warum sollte das in Amerikas nationalem Interesse sein? Wenn überhaupt, hätte das Putin noch hartnäckiger im Umgang mit den Führern der Welt gemacht. Während des Zweiten Weltkrieges schockierte Franklin Roosevelt die Welt, indem er mit Joseph Stalin ein Bündnis einging, das für den US-Präsidenten nur einen Zweck hatte: den Krieg zu gewinnen. Es ist ausgeschlossen, dass Trump die Fakten in Bezug auf Putin nicht versteht. Seine Charmeoffensive ist brillant. Man mag behaupten, dass Trump 'strohdumm' ist, doch er kennt seine Ziele sehr genau.“
USA am Scheideweg
Donald Trump vollzieht gerade eine außenpolitische Wende, kommentiert Novi list mit Blick auf das Treffen mit dem russischen Präsidenten:
„Da die Macht der USA ihre Grenzen erreicht hat, befinden sich die USA am Scheideweg: Entweder sie kooperieren mit Russland und anderen Großmächten, oder sie entscheiden sich aus Frustration über nicht erfüllte Hegemonie-Wünsche für Militarismus und Konflikte. Die globale Zusammenarbeit wird von [dem Ökonom Jeffrey D.] Sachs definiert als Bereitschaft, Vereinbarungen mit anderen Ländern zu erreichen, nicht als das Stellen einseitiger Ansprüche. Traditionell haben die USA immer befohlen und nicht Kompromisse gesucht. ... In diesem Sinne hat Trump eine neue Seite aufgeschlagen, indem er die Interessen der USA durch Wettbewerb und Kooperation mit anderen Großmächten zu vertreten sucht - und nicht durch Forderungen.“
Westen steht vor großer Entscheidung
Weil Trump erneut eine bedenkliche Sichtweise auf die internationalen Beziehungen offenbart, müssen sich vor allem die USA bald entscheiden, meint Cumhuriyet:
„In einer Zeit, in der das Demokratie-Konzept weltweit bedroht ist, zieht Trump der Demokratie deren Feinde vor. Das ist eine unhaltbare Situation. Entweder geben die USA ihren Präsidenten auf oder die nach dem Zweiten Weltkrieg von ihnen selbst errichtete liberal-demokratische Ordnung. Entweder wird das westliche Bündnis überleben, das Institutionen wie die Europäische Union und die Nato ins Leben rief, oder wir kehren - so wie Putin sagte - ähnlich wie im 19. Jahrhundert zum System des 'Wettbewerbs zwischen großen Staaten' zurück. Entweder wird Trump gewinnen oder der Westen. Dazwischen gibt es nichts.“
Europa muss sich zusammenschließen
Die EU hat jetzt zwei Feinde, warnt Libération:
„Man hat wirklich noch nie einen Anführer der freien Welt gesehen, der sich vor der russischen Macht, die viele für tyrannisch halten, so unterwürfig verhalten hat. Dieses Clowns-Jalta, mit einem Eisblock und einem Irrlicht als Teilnehmer, hatte ein Ziel: die Europäische Union, deren Gründung von den Amerikanern begünstigt wurde, um den Russen entgegenzuwirken, und die sich jetzt zwischen den Fronten wiederfindet. Man sagt oft, dass nur ein äußerer Feind Nationen mit verschiedenen Interessen zu einer Koalition animieren kann. Europa hat jetzt zwei Feinde, daraus muss der Kontinent seine Schlüsse ziehen.“
Rote Linie ist nicht mehr zu erkennen
Auch der Experte für internationale Politik Lucio Caracciolo sieht Europa bedroht und schreibt in La Repubblica:
„Natürlich haben weder die Amerikaner noch die Russen ein Interesse daran, den europäischen Raum über die Alarmschwelle hinaus zu destabilisieren. Man wäre verrückt - sowohl in Moskau wie auch in Washington - zu glauben, man könne von einem europäischen Flächenbrand, der zu einer globalen Katastrophe führen würde, etwas gewinnen. Aber wo die 'rote Linie' zur Vermeidung eines versehentlichen Konflikt verläuft, scheint niemand mehr mit Sicherheit sagen zu können. “
Jetzt ist eine Doppel-Diplomatie gefragt
Die Kritik an Trump von Republikanern und US-Institutionen zeigt, dass Trump nicht mit den USA gleichzusetzen ist, meint Verslo žinios und hat für die EU deshalb einen Ratschlag:
„In diesem geopolitischen Chaos sollte Litauen sich nicht an den Extrempolen orientieren und sich nicht von der zugespitzten pessimistischen Stimmung anstecken lassen. Das Weiße Haus ist nicht die USA, wo es noch andere einflussreiche Politiker, Wirtschaftler und Institutionen gibt, mit denen Europa konstruktiv zusammenarbeiten kann. Es ist durchaus möglich, dass die EU in den transatlantischen Beziehungen auf eine Strategie der Doppel-Diplomatie umsteigen wird: eine für die Beziehung mit Trump, die andere gegenüber den US-Institutionen.“