EU versucht, internationalen Handel zu retten
Die Gefahr einer unmittelbaren Eskalation im Handelsstreit mit den USA scheint nach der Einigung zwischen US-Präsident Trump und EU-Kommissionspräsident Juncker vorerst gebannt. Doch Trumps Attacken werden weitergehen, weil sie berechtigt sind, meinen einige Kommentatoren. Und durch Zugeständnisse an die USA darf man es sich nicht mit Asien verscherzen, warnen andere.
USA haben gute Gründe für den Zoff
Trump hat die Diskussion um Strafzölle völlig zu Recht angezettelt, meint Politikwissenschaftler Petrisor Peiu im Onlineportal Ziare:
„Trump macht nichts anderes, als den wachsenden Unmut der Bauern, Stahlarbeiter und der Angestellten der Autoindustrie aufzunehmen und auszuschlachten. … Wie soll man schließlich den US-Steuerzahlern erklären, dass sie für die Sicherheit der zehn Millionen Jobs der europäischen Autoindustrie zu zahlen haben, doch die Europäer im Gegensatz einen Zolltarif fordern, der viermal höher ausfällt [als der US-amerikanische]? … Genau das ist es, was Trump von Europa vorgeworfen bekommt: Dass er nicht dumm genug ist, sich von Leuten ärgern, kritisieren und verspotten zu lassen, die von der amerikanischen Armee beschützt werden und durch den Zugang zum US-Markt florieren, und die dann den amerikanischen Exporten die Tür vor der Nase zuschlagen!“
China ist fast genauso wichtig
Über die Verhandlungen mit den USA darf man nicht die Bedeutung des Handels mit China aus den Augen verlieren, mahnt Diena:
„Europas Problem liegt in der Tatsache, dass Chinas Rolle in unserer Wirtschaft nur wenig geringer ist als die Rolle der USA. Insbesondere Osteuropa verbindet eine Reihe aussichtsreicher Projekte mit China. Obwohl Europa immer viele Einwände gegen die wirtschaftliche Expansion Chinas hatte, wurde die Idee eines Handelskriegs mit China niemals ernsthaft in Betracht gezogen. Jetzt besteht die ernsthafte Gefahr, dass der Preis für die Vermeidung eines Handelskriegs mit den USA ein Handelskrieg mit China ist. Dabei kann man nur mutmaßen, welcher von diesen beiden das geringere Übel wäre.“
China sollte sich warm anziehen
Das Treffen von Juncker und Trump bewertet Berlingske als gute Nachricht für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks und Warnung an China:
„Es ist sehr wichtig, dass die Signale von neuen Handelshindernissen durch eine Absichtserklärung abgelöst wurden, für eine Abschaffung von Zöllen und Handelshindernissen. Auch ist es wichtig, die Reform der Welthandelsorganisation WTO anzugehen, unter anderem mit einem Abkommen gegen Ideendiebstahl. Das ist ein deutliches Signal an Länder wie China, dass Europa und die USA nun im Kampf für den Freihandel auf der gleichen Seite stehen.“
Freihandel scheitert nicht an den USA
Die EU, nicht die USA, steht beim freien Handel auf der Bremse, kritisiert Die Presse:
„[D]as Gespräch zwischen Juncker und Trump trug nicht nur zur Deeskalation bei, es zeigte schon auch deutlich, wer hier von beiden beim Abbau von Handelsbarrieren auf der Bremse steht und wer nicht. Es sind eindeutig die Europäer. Denn während Trump de facto bereit ist, alle Zollschranken abzubauen, will Juncker dies vorerst auf Industriegüter beschränken. 'Es besteht die Chance, am Ende besser dazustehen als vor dem Handelskonflikt', sagte ein optimistischer Christian Helmenstein, Chefökonom der [österreichischen] Industriellenvereinigung. Aber dazu müsse Europa eine gemeinsame Linie finden und sich nicht mit 'nationalen Partikularinteressen' aufreiben. Im internen Kampf zwischen französischer Agrarlobby und deutscher Autoindustrie bleibt am Ende der Wirtschaftsstandort Europa auf der Strecke.“
Trump agiert meisterhaft
Právo betont anerkennend, dass bisher nur die USA von der Einigung profitieren und warnt davor, dass Trump die EU zum nützlichen Idioten in seinem Handelsstreit mit China machen könnte. Das Aufatmen der Europäer sei verfrüht:
„Vorteile haben bisher nur die USA. Europa kann nur hoffen. Die Autobauer dort müssen weiter zittern. Falls Trump China zu Zugeständnissen zwingt, bekommt er freie Hand, mit der EU abzurechnen. Er wird damit nicht zögern. Anders gesagt: statt über die Ergebnisse der Verhandlungen Junckers zu jubeln, sollte Europa aufpassen, nicht in die Situation eines nützlichen Idioten für Trump in dessen Kampf gegen China zu geraten. Wenn Trump an der asiatischen Front gewonnen hat, wird er sich die Europäer vorknöpfen.“
Großer persönlicher Sieg für Juncker
Die Ankündigung, alle Zölle zwischen der EU und den USA abschaffen zu wollen, hält 24.hu für einen Paukenschlag in den internationalen Handelsbeziehungen:
„An so bedeutenden Einigungen wird sonst jahrelang gearbeitet. Für Jean-Claude Juncker ist es eines der wichtigsten Anliegen seiner Amtszeit, Freihandelsabkommen mit anderen Ländern oder Ländergruppen abzuschließen. Für den Kommissionspräsidenten scheint nichts wichtiger zu sein, darum ist dies ein großer persönlicher Sieg für ihn. Natürlich hat der auch seinen Preis, aber keinen, der nicht zu bezahlen wäre. Juncker hat versprochen, auf dem Gebiet der Energie enger zusammen zu arbeiten, was bedeutet, dass Europa mehr Gas von den Vereinigten Staaten kaufen wird. Als er nach Washington reiste, war es Junckers Ziel, ein gutes Geschäft abzuschließen. Und das ist ihm gelungen.“
Warum Trump Juncker den Olivenzweig reicht
Letztlich hat sich Trump doch den ökonomischen Realitäten stellen müssen, erklärt Corriere del Ticino:
„US-Wirtschaftsanalysten haben bereits darauf hingewiesen, dass der kürzlich vom Bewohner des Weißen Hauses begonnene Handelskrieg negative Auswirkungen hat, und zwar nicht nur für europäische Unternehmen und andere weltweit, die vom Trump-Kreuzzug betroffen sind, sondern auch für US-amerikanische Firmen. Insbesondere diejenigen, die im Automobilsektor tätig sind. Höhere Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte führen zu höheren Produktionskosten und damit zu geringeren Gewinnen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum Trump es gestern vorgezogen hat, Juncker einen Olivenzweig zu reichen. Die Zeit wird zeigen, ob dies den Dialog wirklich fördert.“
EU und Weltwirtschaft gewinnen Zeit
Die Einigung im Handelsstreit war ein Meisterstück von Jean-Claude Juncker, lobt Der Standard:
„Ohne echte Zugeständnisse hat der EU-Kommissionspräsident Donald Trump davon abgebracht, neue Strafzölle auf europäische Autoimporte zu verhängen, was dieser wochenlang angedroht hatte. Stattdessen wird in den kommenden Monaten und Jahren zwischen den USA und der EU über die Senkung von Handelsbarrieren verhandelt - das, was sich Unternehmen schon die ganze Zeit wünschen. ... Dass all die Verhandlungen rasch zum Erfolg führen werden, ist unwahrscheinlich. Dazu gibt es zu viele Interessenvertreter, die querschießen werden. Aber darum geht es nicht. Hauptsache es wird geredet und nicht gedroht. Die EU und mit ihr die Weltwirtschaft hat Zeit gewonnen. Trump kann sich wieder anderen Feinden zuwenden. Wie lange dieser Burgfrieden halten wird, weiß wohl nur der US-Präsident selbst.“
Trumpismus ist gekommen, um zu bleiben
Auch El País warnt davor, sich nach der Einigung im Handelsstreit in Sicherheit zu wiegen:
„Die USA bestehen nicht nur aus Trump, aber es ist möglich, dass das Phänomen Trump nicht so schnell vorübergeht, weil es einen Wandel in den USA widerspiegelt. So wie auch das Aufleben von Populismus und Nationalismus in großen europäischen Staaten große Verschiebungen in der EU ausdrücken. Der Trumpismus ist gekommen, um zu bleiben. Doch bevor man die transatlantische Beziehung einfach aufgibt, sollte man genau überlegen, welchen Schaden der Wegfall mit sich brächte und wodurch das entstehende Vakuum gefüllt würde. ... Nur ein starkes und geeintes Europa, das seine Bürger beschützen kann, ist in der Lage auf Augenhöhe mit Trump zu verhandeln und die transatlantische Allianz zu erhalten.“
Wer zuletzt lacht
Die Einigung zwischen Trump und Juncker lässt Delo skeptisch zurück. China werde langfristig als Sieger aus den Handelsstreitigkeiten hervorgehen:
„Einige hatten sich gefreut: Trump galt als Verkünder des großen Neustarts der Weltordnung und des Untergangs des 'großen Imperialisten' - des Staats, der das System der abgesprochenen Regeln erschaffen und sieben Jahrzehnte lang die Globalisierung und den freien Handel verteidigt hatte. Alle treffen jetzt an Washington vorbei Vereinbarungen, wie das System zu retten ist. Dabei scheint es, dass China, der Hauptschuldige für die Probleme des internationalen Handels, am längeren Hebel sitzt.“