Wie kann Juncker den Handelskrieg verhindern?
Jean-Claude Juncker reist am heutigen Mittwoch nach Washington, um im Gespräch mit Donald Trump einen Handelskrieg zwischen den USA und der EU abzuwenden. Europas Medien geben dem EU-Kommissionschef Ratschläge mit auf den Weg, wie er dem US-Präsidenten die Stirn bieten könnte.
Jean-Claude sollte einen auf Donald machen
EU-Kommissionspräsident Juncker muss sich die Macht der EU bewusst machen und sie Trump demonstrieren, wünscht sich L'Opinion:
„Entgegen ihrer eigenen Überzeugung ist die EU in einer Machtposition. Als größte Wirtschafts- und Sparmacht der Welt - und somit potentieller Investor - und zweitgrößte Exportkraft muss sie sich in den Verhandlungen nicht verstecken. Die kürzlich verhängte Sanktion gegen Google ist ein Beweis dafür. Das Problem ist jedoch, dass Juncker nicht der Präsident eines großen Landes ist, sondern oberster Verwalter eines uneinheitlichen Staatenbündnisses. Die EU-Agenda ist schon lange überholt. Hoffen wir trotzdem, dass Jean-Claude einen auf Donald macht und seine Muskeln spielen lässt.“
Bitte nicht nur an deutsche Autobauer denken!
Wessen Interessen Juncker in Washington vertreten wird, ist für Diena klar:
„Juncker wird nach Washington de facto die Position Berlins mitnehmen. Deutschland ist bereit, in einigen für es weniger wichtigen Punkten nachzugeben, um die Gefahren für seine Autohersteller abzuwenden, die Trump mit einem Einfuhrzoll von 20 Prozent belegen will. ... Doch die EU besteht nicht nur aus Deutschland. Und die Interessen Deutschlands sind nicht gleichbedeutend mit den Interessen der gesamten EU. Zumindest ein Teil der europäischen Staaten wird die Lösungen, die Juncker anbieten wird, als nicht vorteilhaft betrachten.“
Kommissionspräsident kann den Spieß umdrehen
Juncker sollte Trump beim Wort nehmen und ihn mit einer Freihandelsinitiative überraschen, empfiehlt das Handelsblatt:
„Statt mit immer neuen Strafzöllen zu drohen, würde plötzlich um den Abbau von Handelsschranken gerungen. Das würde nicht nur die transatlantische Debatte in eine neue, konstruktive Richtung lenken. Auch die Weltwirtschaft würde davon profitieren. Das Schreckgespenst eines Handelskriegs wäre erst einmal verscheucht, die Konjunktur bekäme neuen Rückenwind. ... Eine wirkliche Alternative haben die Europäer nicht. In einem sich hochschaukelnden Handelskrieg würden alle verlieren, aber Europa sicher mehr als Amerika. Und Deutschland vermutlich am meisten. Trump gefällt sich als schöpferischer Zerstörer und treibt die Europäer mit immer neuen Provokationen vor sich her. Juncker kann jetzt den Spieß umdrehen.“
Letzte Chance auf Ausgleich
Juncker und Trump stehen bei ihrem Treffen unter internationaler Beobachtung, glaubt der Journalist Cristian Unteanu in seinem Blog bei Adevărul:
„Chinas und Russlands Führung verfolgen das Treffen aufmerksam und mit Belustigung zugleich, da sie nun in der Situation sind, über die Zukunft der Welt zu entscheiden: Der interne transatlantische Konflikt bringt ihnen bedeutende strategische Möglichkeiten im Nahen und Fernen Osten, in Afrika und Südamerika. ... Nach dem Treffen [von Trump und Putin] in Helsinki könnte dies die letzte Chance sein, die Lage zwischen Washington und Brüssel wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Denn der 4. November kommt bald, an dem die USA ihre globalen Sanktionen gegen alle Länder und Unternehmen anwenden wollen, die Öl aus dem Iran einführen.“
Perfide Spaltungsversuche
Dass Juncker in Washington für seine Heimat kämpfen wird, hofft Diena:
„Die USA versuchen, die führenden europäischen Länder zu locken, separate bilaterale Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu unterzeichnen, und umgehen dabei die Strukturen des gemeinsamen Europas. … Nicht von ungefähr ließ Juncker also wissen, dass es den USA nicht gelingen würde, die Einheit der EU zu spalten. Denn auf Dauer könnte so ein Separatismus katastrophal oder tödlich sein für die Idee eines vereinten Europas, dessen prominentester Vertreter Juncker ist. Hoffentlich wird der EU-Kommissionspräsident im Interesse ganz Europas bis zur 'letzten Patrone' in Washington kämpfen.“
Handelskrieg kann sich EU nicht leisten
Wirtschaftsjournalist Wolfgang Münchau warnt in Financial Times eindringlich vor einem Konflikt mit den USA:
„Handel ist kein Thema, bei dem die Interessen der europäischen Mitgliedsstaaten auf einer Linie sind. Deutschland und die Niederlande würden von den US-Tarifen mehr betroffen sein als Frankreich oder Italien. ... Die EU sollte daher die Worte des deutschen Militärhistorikers Carl von Clausewitz bedenken, der von Krieg abriet - es sei denn, man könne einen Sieg erwarten, habe eine Strategie, um diesen zu beenden und die Fähigkeit, die öffentliche Unterstützung aufrechtzuerhalten. Ich glaube, dass die Europäer keines dieser Kriterien erfüllen.“
Europa in guter Verhandlungsposition
Dass die EU im Handelskrieg mit den USA gute Karten hat, glaubt Turun Sanomat:
„Trumps Hauptgegner im Handelskrieg dürfte China sein, dem er vorwirft, für das Handelsdefizit der USA verantwortlich zu sein und unfairen Wettbewerb zu betreiben. Obwohl Trump versichert hat, dass Handelskriege leicht zu gewinnen seien, möchte er vielleicht nicht unbedingt an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen. ... Unterdessen verstärkt die EU ihre Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Am Dienstag haben die EU und Japan ein Freihandelsabkommen unterzeichnet. ... Mit Kanada, Mexiko und Südkorea wurden Handelsabkommen ausgehandelt. Die stärker werdende Position Europas stellt eine klare Bedrohung für die wirtschaftlichen Ziele der USA dar. Deshalb wäre es für sie wichtig, mit der EU eine Einigung zu erzielen.“