Wer führt die CDU in die Zukunft?
Nach 18 Jahren mit Angela Merkel an der Spitze wählt die CDU am heutigen Freitag eine neue Parteivorsitzende oder einen neuen Parteivorsitzenden. Die beiden laut Umfragen aussichtsreichsten Kandidaten Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz stehen jeweils für unterschiedliche Ausrichtungen. Kommentatoren blicken mit Spannung auf die Wahl in Hamburg und erklären, was dabei auch für Europa auf dem Spiel steht.
Ein historischer Moment
Mit der Entscheidung über Merkels Nachfolge fällt auch eine Entscheidung über Deutschlands künftige Linie, analysiert Kauppalehti:
„Merkel hat erklärt, bis zum Ende ihrer Amtszeit Kanzlerin bleiben zu wollen, also bis 2021. Das ist jedoch nicht sicher. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin kann versuchen, Merkel schon vorzeitig an den Rand zu drängen, möglicherweise vorzeitige Wahlen zu organisieren und eine neue Koalitionsregierung zu bilden - zum Beispiel mit den Grünen. Es ist ein historischer Moment, denn Angela Merkel hat die Christdemokraten in Deutschland eine ganze Generation lang geführt und ist Kanzlerin seit 2005. Ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin wird zu den einflussreichsten Politikern in Europa gehören. Von der Wahl der CDU hängt stark ab, ob Deutschland seine derzeitige moderate Linie fortsetzt oder einen Schritt nach rechts geht.“
Fortführung oder Bruch mit der Ära Merkel?
Der Tages-Anzeiger stimmt dem zu und konkretisiert:
„Merz möchte die CDU wieder schärfer konservativ und liberal profilieren. Er hofft, sie damit für Konservative, die sich von der Merkel-CDU entfremdet haben, attraktiver zu machen. ... Kramp-Karrenbauer will die Partei in der Mitte halten, aber durch mehr Debatte und Beteiligung dafür sorgen, dass auch konservative Meinungen wieder besser zur Geltung kommen. Während Merz sich der CDU als strahlende Führungsfigur anbietet, verspricht Kramp-Karrenbauer als Brückenbauerin einen breiten, integrativen Politikansatz. Merz steht symbolisch, vielleicht auch politisch, für den größtmöglichen Bruch mit der Ära Merkel, Kramp-Karrenbauer für eine Erneuerung von Merkels politischem Erbe, also für eine gewisse Kontinuität. In Stil, Ausrichtung und Methode hat die CDU eine echte Wahl.“
Alle stehen rechts von der Kanzlerin
Trotz aller Unterschiede haben die drei Favoriten Kramp-Karrenbauer, Merz und Jens Spahn etwas gemeinsam, beobachtet Mérce:
„In der Geschichte der CDU gab es bisher nur einmal eine öffentliche Debatte vor der Wahl des Vorsitzenden, und es ist das erste Mal, dass sich gleich drei Personen um den Posten bewerben, die alle beträchtliche Unterstützung in der Partei genießen. Neben vielen persönlichen und politischen Unterschieden der Kandidaten, gibt es zwei auffallende Ähnlichkeiten zwischen ihnen: Sie kommen, anders als die in der DDR sozialisierte Angela Merkel, aus dem Westen der Republik. Und sie stehen in der Flüchtlingspolitik alle rechts von Angela Merkel.“
Neuer Parteichef erbt einen Haufen Probleme
In Deutschland haben sich unter Merkel einige chronische Schwachstellen aufgetan, die für jedweden Nachfolger schwer zu knackende Nüsse sein werden, prophezeit Echo.24:
„Starke Nachkriegsjahrgänge gehen in Rente und belasten - wie die immer teurer werdende medizinische Betreuung - die Sozialkassen bedrohlich. Die Energiewende kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Der Wohlstand Deutschlands basiert zu sehr auf dem Autobau und wird anfällig, sobald etwa ein US-Präsident Hindernisse für die traditionellen Export-Importbeziehungen auftürmt. Zudem hat das Land den Zug zu Schlüssel- und Spitzentechnologien verpasst. Die Verfügbarkeit und Qualität des Internets ist für ein so reiches Land sehr schlecht. Nachbarn wie Schweizer, Dänen oder Schweden, die sich ins deutsche Netz einloggen, sind regelmäßig geschockt.“