Beendet die EZB die Geldschwemme?
Die Europäische Zentralbank (EZB) will ab dem kommenden Jahr kein frisches Geld mehr in den Ankauf von Anleihen stecken. Während einige die Entscheidung angesichts der wirtschaftlichen Lage für gefährlich halten, kritisieren andere, dass die EZB noch viel zu zögerlich auf die geldpolitische Bremse drückt.
Das Sicherheitsnetz ist weg
Stirnrunzelnd quittiert La Vanguardia die Entscheidung der EZB:
„Der Brexit, Frankreichs und Italiens Schwierigkeiten mit der Defizitvorgabe, der Handelskrieg, die Krise der Schwellenländer, die Unbeständigkeit der Märkte - die Zurücknahme der geldpolitischen Anreize kommt zu einer denkbar schlechten, krisengeprägten Zeit. ... Das monetäre Sicherheitsnetz ist weg und die Folgen werden sich wohl schnell zeigen. Die Regierungen müssen jetzt jedenfalls rigorosere Wirtschafts- und Steuerpolitik betreiben, um das Vertrauen der Investoren bezüglich der Staatsverschuldung nicht zu verspielen und um eine Bestrafung durch ihre Zinssätze [die sie auf dem Anleihenmarkt zu zahlen haben] zu vermeiden. Genau davor hat sie die EZB ja bislang geschützt.“
Draghi verfeuert weiter alle Mittel
Wer erzählt, die EZB tritt auf die geldpolitische Bremse, geht Mario Draghi auf den Leim, warnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Denn in Tat und Wahrheit gibt die Notenbank weiterhin Gas. Lediglich Nettokäufe von Staatsanleihen soll es vom nächsten Jahr an nicht mehr geben. Mit dem Geld aus fällig werdenden Anleihen werden weiterhin frische Papiere gekauft. Von einem Stop des Anleihekaufprogramms kann also keine Rede sein. ... Weil die EZB alle geldpolitischen Mittel verfeuert, über die sie verfügt, also trotz Wirtschaftserholung weiter einen maximal expansiven Kurs fährt, stellt sich die Frage, was sie im Abschwung zu tun gedenkt, der so sicher wie das Amen in der Kirche irgendwann kommen wird. Kauft sie dann noch Aktien oder alle Staatsanleihen?“
EZB hat den Euro stabilisiert
Der Standard singt eine nachträgliche Lobeshymne auf die Geldpolitik der EZB:
„Das Anleihenkaufprogramm der EZB, das nun im Dezember ausläuft, hat dazu beigetragen, den Euro zu stabilisieren. Die Kreditkosten in Südeuropa wurden massiv gesenkt, die EZB hat damit einen wichtigen Wirtschaftsimpuls gegeben. Die Inflation ist nicht außer Kontrolle, sie liegt im Euroraum zielgenau bei zwei Prozent. Und Zinsen für Sparer zu garantieren ist nicht und war nie Aufgabe der Zentralbank. Das haben viele der Kritiker Draghis bis heute nicht verstanden.“
Kreative Lösungen zur Rettung der Weltwirtschaft
Le Temps befasst sich mit der Frage, ob die EZB durch die expansive Geldpolitik ihr Mandat, Preisstabilität zu garantieren, überschritten hat:
„Die Antwort lautet 'Nein', denn durch die Belebung des Konsums verhindert man die Deflation. … In einer globalisierten Produktionskette sinken die Preise für viele Produkte und Dienstleistungen ständig weiter. Und auch die Produktivitätszuwächse dank der neuen Informationstechnologien verlangsamen den Anstieg der Preise. Der Kampf gegen die Inflation hat sich somit überholt. Die Zentralbanken haben dies verstanden und es geschafft, kreative Lösungen zu finden, um die Weltwirtschaft zu retten.“