Moskau setzt Minsk mit Gas und Öl unter Druck
Eine Änderung russischer Export- und Steuergesetze führt zu deutlich teureren Öl- und Gaspreisen für Belarus, das bisher Sonderkonditionen erhielt. Der belarussische Präsident Lukaschenko fordert nun eine Kompensation für die höheren Kosten, die er Beobachtern zufolge nur bekommen wird, wenn er einer Vereinigung mit Russland zu einem Bündnisstaat zustimmt. Mit wie viel Gegenwehr muss Moskau rechnen?
Wo Sowjetnostalgie gegen Moskau arbeitet
Ein beträchtliches Hemmnis für eine eventuelle Vereinigung von Russland mit Belarus wäre die dortige öffentliche Meinung - nach Ansicht der Nowaja Gazeta ist sie eindeutig für die Eigenstaatlichkeit:
„Vom allerersten Loyalisten bis zum letzten Oppositionellen, von der provinziellen Rentnerin bis zum Hauptstadt-Hipster, niemand möchte 86. Region des östlichen Nachbarn werden. ... Die gleiche Stimmung, die dem Kreml auf der Krim und im Donbass spürbar hilft, wird in Belarus zu einem großen Störfaktor. Die Nostalgie nach sowjetischer Stabilität ist auf dem gesamten Gebiet der ehemaligen Weißrussischen SSR zu finden. Doch während sie auf der Krim nach Russland gerichtet war, zeigt sie in Belarus auf sich selbst und Alexander Grigorjewitsch [Lukaschenko]. “
Belarus erfolgreicher als Russland und Ukraine
Belarus wird sich selbst nicht so schnell aufgeben, glaubt auch Latvijas avize:
„Auch wenn wir die Schattenseiten der Staatsform und des Wirtschaftsmodells von Belarus sehen, glauben wir immer noch, dass doch etwas Wertvolles dahinter steckt. Nicht nur aufgeräumte Städte, gute Straßen, genug Arbeitsplätze und relativer Wohlstand. Der soziale Graben zwischen Ober- und Unterschicht ist viel geringer als in Russland oder in der Ukraine. Und der große Gewinn für Belarus ist, dass dem Staat seine Menschen nicht abhandenkommen. ... Die Menschen verlassen die letzte Diktatur Europas nicht, sondern sie ziehen sogar dorthin. Diese Entscheidung kann nicht von der Propaganda beeinflusst werden, sondern nur von der Lebensrealität. Keine politischen TV-Shows oder patriotischen Aufrufe können diejenigen beeinflussen, die mit den Füßen abstimmen. Deshalb sollten wir Belarus nicht zu früh abschreiben.“
Kaum Spielraum für Lukaschenko
Lukaschenko kann nicht westwärts ausweichen, meint Radio Kommersant FM:
„Es sieht so aus, als ginge der Präsident von Belarus ernsthaft zum Gegenangriff über. ... Lukaschenko fordert von seinen Untergebenen, mit Litauen Öleinkäufe zu vereinbaren. ... Die Frage ist aber, ob Lukaschenko bereit ist, sich wirklich von Russland zu distanzieren und sich nach ukrainischem Vorbild dem Westen in die Arme zu werfen. Das scheint wenig glaubhaft, denn so kann man auch sehr schnell die Macht verlieren. Oder die neuen Freunde fordern Reformen, die das russische Steuermanöver dagegen wie Kinderkram aussehen lassen. ... Vermutlich wird also ein Kompromiss gefunden. Aber dieser dürfte mit gewissen Zugeständnissen bei der Souveränität verbunden sein.“
Unklare Kräfteverhältnisse
Die Gerüchte über eine Vereinigung von Belarus mit Russland beleuchtet Lietuvos žinios von allen Seiten:
„Ist der Kreml überhaupt an Belarus interessiert? ... Ein Argument dagegen: Russland hat kein Geld, um neue Territorien zu versorgen. Und wie würde der ambitionierte Lukaschenko reagieren? Er hat so lange das Land allein regiert und jetzt soll er sich zurückziehen und in Rente gehen? Sollte er doch Widerstand leisten, wie sicher kann er sein, dass die Armee und die Sicherheitskräfte hinter ihm stehen und Belarus treu sind? Es ist ein offenes Geheimnis, dass in diesen Strukturen viele prorussische Menschen arbeiten. Und wie würde die Bevölkerung auf den Anschluss reagieren? Lukaschenko hat zu seinen eigenen autoritären Gunsten die belarussische Identität der Gesellschaft gestärkt. Aber wie viele davon orientieren sich politisch und kulturell nach Osten und wie viele nach Westen?“