Hält das Weltwirtschaftsforum, was es verspricht?
Die Weltelite der Wirtschaft versammelt sich derzeit zu ihrem jährlichen Treffen in Davos. Unter den rund 3.000 Teilnehmern fehlen allerdings wichtige Personen wie Trump, May und Macron. Für Kommentatoren ist das nur ein Grund, warum sie die Erwartungen in das Weltwirtschaftsforum enttäuscht sehen.
Davos hat seinen Glanz verloren
Früher noch beliebter Tummelplatz für Staatschefs, hat Davos mittlerweile seine Anziehungskraft verloren, findet Novi list:
„Zum diesjährigen Treffen werden nicht die weltweit führenden Staatschefs kommen, sondern ihre Vertreter. Das zeigt, dass sich die Politiker von der Gesellschaft in Davos distanzieren - von den Kreisen der weltweit führenden Geschäftsleute, mit denen sie sich in den letzten Jahrzehnten, nach Meinung von Kritikern, zu einer Elite zusammengeschlossen haben. Sie haben die Welt zugunsten der Interessen von Banken und großen Unternehmen zurechtgebogen und müssen sich nun zuhause mit den unangenehmen Folgen auseinandersetzen - mit populistischen Rebellionen und anderen Schwierigkeiten.“
Kommerz statt Klimaschutz
Die eigentlich wichtigen globalen Themen werden in Davos gar nicht mehr verhandelt, klagt der Deutschlandfunk:
„Der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der die gesamte Weltwirtschaft in eine Krise stürzen könnte, steht ebenso wenig im Mittelpunkt wie der Brexit, der das Zeug hat, Europa zu spalten. Vor allem aber: das größte globale Risiko, der Klimawandel ... . Stattdessen geht es um 'Globalisierung 4.0', noch genauer: um die 'Suche nach einer globalen Architektur im Zeitalter der Vierten Industriellen Revolution.' Klarer gesagt: es geht darum, wie man künftig möglichst gute Geschäfte in Zukunftsindustrien wie der Künstlichen Intelligenz machen kann. ... [D]ie Organisatoren haben statt auf den Klimaschutz auf den kurzfristigen Kommerz gesetzt.“
Veränderung kann nur von unten kommen
Ähnlich sieht das Treffen The Independent:
„Am ehesten sollte man sich Davos als eine Konferenz für Wirtschaftstreibende vorstellen. Sie bietet Firmenchefs, Finanziers und Beratern die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und sich wichtig zu fühlen. … Davos ist nicht die Ursache für die globale Ungleichheit, sondern vielmehr ein Symptom. Man darf sich vom Weltwirtschaftsforum nicht erwarten, Fehlentwicklungen in unseren Wirtschaftssystemen zu diagnostizieren. Und noch viel weniger sollte man darauf hoffen, dass vom Forum irgendwelche substanziellen Maßnahmen ausgehen werden, um die Ungleichheit zu verringern. Veränderung kann, wenn überhaupt, nur von der Basis kommen - nicht von der heißen Luft in den kalten Schweizer Bergen.“
Kein Happy End
Ausgerechnet Vertreter aus London und Washington fehlen in Davos, klagt Die Presse:
„Rutscht die Wirtschaft in die Rezession - und das erwarten die WEF-Experten spätestens in ein paar Jahren -, dann bricht das Kartenhaus zusammen. Denn die Notenbanken haben ihr Pulver weitgehend verschossen. Das ist dann das Modell Griechenland, aber auf globaler Basis. Die dabei drohende Wertvernichtung sollten wir uns nicht wünschen. Derzeit rutschen wir aber wie in einer griechischen Tragödie auf einer schiefen Ebene genau in dieses Szenario hinein. Davos wird uns da kein Happy End bescheren. Schon deshalb nicht, weil die wichtigsten Protagonisten gar nicht dabei sind.“
Viel Lärm um nichts
Konkrete Lösungsideen vermisst die Tageszeitung Rzeczpospolita in Davos:
„Das Weltwirtschaftsforum hatte nie den Ehrgeiz, globale Probleme zu lösen, obwohl es seine Teilnehmer dazu zwang, über sie zu sprechen, was bereits eine große Sache war. Es lag dann an uns, also den Medienleuten, herauszufinden, aus wem wie viele Informationen herausgepresst werden konnten. Das war und ist nicht einfach, weil die Journalisten von den wichtigsten Meetings vertrieben werden und nur das hören können, was die Teilnehmer sagen wollen. ... Die bedeutende Veranstaltung, die jedes Jahr wieder in Davos stattfindet, hat riesige Dimensionen, bringt aber kaum konkrete Lösungen.“
Davos wichtiger denn je
Politiken hält das Treffen angesichts der immer größeren werdenden Ungleichheit in der Welt für äußerst wichtig:
„Der Zorn über eben diese Ungleichheit ist ein wichtiger Grund, warum Trump, May und Macron keine Zeit für Davos haben. Paradox ist aber, dass Lösungen nur durch internationale Zusammenarbeit gefunden werden können. Die Tech-Giganten müssen gezähmt, die Steuerschlupflöcher geschlossen und die Lasten eines Übergangs hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft ordentlich verteilt werden. ... Wir stehen mitten in der vierten industriellen Revolution und die politischen Strukturen haben sich nicht entsprechend entwickelt. Das muss sich schnell ändern. Sonst endet es mit dem, dessen Vorboten wir schon sehen: Handelskriege, Protektionismus und politische Unruhen.“
Vorsicht vor noch mehr Gelbwesten
Mit dem Motto des Forums - "Globalisierung 4.0" - beschäftigt sich Jurnalul National und fordert, dass damit vor allem ein Versprechen auf ein besseres Leben verbunden sein muss:
„Das Vertrauen in eine Gesellschaft basiert auf einer ganz einfachen Grundlage: Auf dem Gefühl, dass sich das Leben zum Besseren und nicht zum Schlechteren wandelt. Die politischen und wirtschaftlichen Mächte müssen sich einen neuen Gesellschaftsvertrag ausdenken, vor allem weil sich in zu vielen Ländern immer mehr die Frustration breit macht, dass die Menschen nicht beachtet würden. Wenn die 'Globalisierung 4.0' nicht den Einzelnen mitnimmt, riskiert sie, dass wir uns alle in Gelbwesten verwandeln.“