Was offenbart die Münchner Sicherheitskonferenz?
US-Vizepräsident Mike Pence hat auf der Münchener Sicherheitskonferenz die Nato-Alliierten wegen ihrer geringen Militärausgaben kritisiert, Deutschland wegen Nord Stream 2 mit dem Ende der Bündnissolidarität gedroht und den Iran scharf attackiert. Kommentatoren sind sich einig, dass die harte Rhetorik gefährlich werden könnte.
Aggression als einträgliches Geschäft
Die US-Außenpolitik setzt auf Konfrontation statt auf Problemlösung, beobachtet Kommersant:
„Trump fordert sofort alles von Allen: Vom Iran einen radikalen innen- wie außenpolitischen Kurswechsel, von China den Verzicht auf seine über Jahrzehnte erarbeitete Industriepolitik, von Europa, den USA keine konkurrenzfähigen Waren mehr zu verkaufen. ... Viele dieser Forderungen sind erniedrigend und wohl gar nicht darauf ausgelegt, dass sie irgendjemand erfüllt. ... Nordkorea wird seine Atomsprengköpfe nicht vernichten und Russland nicht seine 9M729-Raketen. So etwas zu fordern, heißt, langfristige Konfrontationen zu programmieren. Doch darauf scheint man zu spekulieren, denn Konfrontation löst gleich drei Aufgaben: Bestellungen für die US-Rüstungsindustrie, ein Umleiten von Handelsströmen auf US-freundliche Länder und erhöhte Nachfrage nach Washingtons Diensten zum Schutz seiner Klienten.“
Risikofaktor USA
Die USA sollten den Stimmungswandel in Europa ernst nehmen, betont Helsingin Sanomat:
„Während der Amtszeit Trumps sind die Beziehungen zu Europa immer stärker zu einem Thema der US-Innenpolitik und zu einem Mittel zur Spaltung des Landes geworden. Diese Konstellation ist für Europa nicht gut, es ist aber auch schwierig, sich ihr zu entziehen, da die Äußerungen der Trump-Administration in internationalen Arenen in einem undiplomatischen America-First-Stil erfolgen, der das amerikanische Publikum umwirbt. … Laut aktueller Meinungsumfragen halten die Deutschen und die Franzosen die USA mittlerweile für ein größeres Sicherheitsrisiko als Russland oder China. Natürlich kommt Russland die von der Trump-Administration verursachte Entwicklung entgegen, aber in den USA sollte die Stimmung bei den wichtigen Verbündeten doch ernste Besorgnis wecken.“
Trump hat Geist der Nato nicht verstanden
Für Politiken spricht Merkels Auftritt in München Bände:
„Ist es wirklich notwendig, dass die Führerin Deutschlands, Angela Merkel, die USA an die Relevanz der Nato erinnern muss? Kann es wahr sein, dass Merkel einen amerikanischen Senator - einen Republikaner - mit den Worten zitiert, dass Multilateralismus kompliziert sein kann, aber besser ist, als alleine zu Hause zu sein? Versteht er [Trump], dass wir den Zusammenbruch der internationalen Ordnung riskieren, auf welcher die europäische Sicherheit und Zusammenarbeit jahrzehntelang fußte, während des Kalten Krieges und danach? Damit droht man nicht. Doch das war leider Merkels düstere Warnung auf der internationalen Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende in München.“
Zwischen den Mühlen der Weltpolitik
Mit dem Munich Security Report des Veranstalters beschäftigt sich Ria Nowosti und sieht dort das Dilemma eines geopolitisch in die zweite Reihe gedrängten Europas gezeichnet:
„Nach Meinung der Autoren verlieren die USA die Rolle des Welthegemons und es beginnt eine 'Epoche der Konkurrenz der Großmächte', auf die die EU nicht vorbereitet ist. Ein bemerkenswertes Eingeständnis, das davon zeugt, dass die EU von der Konkurrenz der Führungsmächte ausgenommen ist, zu denen nur die USA, Russland und China gezählt werden. Angesichts der jüngsten Versuche der Europäer, eine gemeinsame Armee zu schaffen, schreiben die Autoren von der Notwendigkeit einer 'strategischen Autonomie' für Europa und seine Außenpolitik. ... Doch viele Europäer haben nach wie vor Angst vor der Perspektive, auch nur ein kleines bisschen Selbstständigkeit oder Autonomie zu erhalten.“
Europa kuscht nicht länger vor den USA
Positiver sieht Europas Verfassung De Volkskrant:
„Dort, wo [US-Vizepräsident] Pence eine starke westliche Ordnung sieht, fragt Merkel öffentlich, ob diese Ordnung zusammenbricht. Zwei Jahre nach dem Antritt von Trump erschrecken die Europäer nicht mehr bei jedem Tweet aus dem Weißen Haus. Sie müssen Wege suchen, um sich zu behaupten, in einer Welt, die in ihren Augen ohne amerikanische Führung auskommt. Es wird geredet über europäische 'strategische Autonomie' und 'flexiblen Multilateralismus', neue Formen der Zusammenarbeit zwischen 'bereitwilligen Ländern'.“
Drehbuch aus vergangenen Zeiten
Dass die Münchener Sicherheitskonferenz eine Sehnsucht nach der Vergangenheit ausdrückt, findet Polityka:
„Die Wahrheit ist, dass sich in einer Welt mit geschwächten Regeln und einer sich auflösenden Ordnung diejenigen am besten fühlen, die am stärksten sind, nicht nur militärisch. Deshalb fühlten sich die Vertreter der Weltmächte USA, China, Russland und Deutschland auf der Münchener Bühne am wohlsten, während die übrigen Teilnehmer ihre Befürchtung äußerten, dass die Welt, die ihnen ein Gefühl der Sicherheit gibt, scheinbar verschwunden sei. ... Das Münchner Publikum hat seinen eigenen Geschmack, es mag altbekannte Schauspieler. Und vielleicht kennen diese Schauspieler keine anderen Rollen als ihre alten.“