Italien als Chinas Einfallstor nach Europa?
Als erster G-7-Staat will sich Italien an Pekings Projekt "Neue Seidenstraße" beteiligen. Beide Seiten unterschrieben am Samstag in Rom eine entsprechende Absichtserklärung. Unter anderem aus Deutschland und Frankreich kam Kritik an dem Vorhaben. Gegen diese nehmen Kommentatoren Italien in Schutz.
Scheinheilige Kritik von Merkel und Macron
Gerade Paris und Berlin sollten sich an die eigene Nase fassen, bevor sie Italiens Kooperation mit China kritisieren, poltert Vize-Chefredakteur Gianfranco Marcelli in Avvenire:
„Es ist schon verwunderlich, von wem kritische Worte kamen: etwa vom französischen Präsidenten, der im Januar vergangenen Jahres an allen seinen europäischen Kollegen vorbeizog und nach Peking flog, um etwa zwanzig fette Handelsabkommen mit Xi zu unterzeichnen. ... Nicht weniger seltsam mutet es an, dass Merkel so besorgt über den italienischen Schritt ist, steht sie doch an der Spitze des Landes, dessen größter Handelspartner China ist. ... Dabei sind die Ermahnungen, das Geflecht der europäischen Solidarität zu stärken, durchaus begrüßenswert. Vorausgesetzt, dass sie auch für Frankreich und Deutschland gelten.“
Misstrauen gegenüber Peking ablegen
Die in Peking erscheinende Staatszeitung China Daily warnt davor, Chinas neue Seidenstraße zu verteufeln:
„Die Belt-and-Road-Initiative ist keine wirtschaftliche Aggression, wie sie von einigen in den Industrieländern bezeichnet wird. Sie soll eine Win-Win-Situation für alle schaffen. Sie könnte dazu beitragen, die Lücke zwischen den entwickelten und den sich noch entwickelnden Ländern zu schließen. Sie ist zugleich ein Gegenpol zum weltweit um sich greifenden Unilateralismus und Protektionismus. ... Bei einer besseren Verkehrsanbindung von immer mehr Ländern wird die Weltkonjunktur wieder Fahrt aufnehmen. Das wiederum könnte dazu beitragen, den aufgekommenen Populismus und andere Formen des Extremismus zu bekämpfen. Wenn mehr große Industrieländer teilnehmen würden, wäre das für die Entwicklung der Weltwirtschaft ein großer Segen. Doch dafür müssten sie erst mal ihr Misstrauen ablegen.“
Europa darf sich nicht ausliefern
Für NRC Handelsblad ist der italienische Vorstoß ein gefährlicher Schritt:
„China zeigt, wie schwierig es für die EU ist, sich auf eine Linie zu verständigen, selbst gegenüber einer gemeinschaftlichen Herausforderung von außen. ... Die Seidenstraße ist unter anderem umstritten, weil sie die Abhängigkeit von China vergrößert. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die Verlockungen chinesischer Investitionen in Konflikt geraten mit der Wachsamkeit gegenüber einem Land, das sich wirtschaftlich und politisch enorm von Europa unterscheidet. Europa darf sich nicht ausliefern an eine Großmacht, die nichts von Marktwirtschaft und Demokratie hält und es nicht so genau mit Menschenrechten nimmt.“
Mission "China first"
Die Regierung in Rom lässt sich von China Sand in die Augen streuen, findet Die Presse:
„Jetzt umschmeichelt Xi gerade seine 'lieben italienischen Freunde', bietet ihnen Kooperationen und Investitionen von Seehäfen bis zur Telekommunikation an. Er bemüht sich, die Zweifel an der Neuen Seidenstraße, für die Xi bei seiner jetzigen Europa-Reise wirbt, auszuräumen. Doch diese Initiative ist und bleibt vor allem eines: ein Projekt zur Förderung der chinesischen Wirtschaft und zur Ausweitung des chinesischen Einflusses in der Welt. Xi hat ja auch nie einen Zweifel daran gelassen, dass es ihm - nicht anders als dem jetzigen US-Präsidenten mit seinem 'America first' - um 'China first' geht. “
Roms vergebene Liebesmühen
Am Sonntag reiste Xi weiter nach Frankreich, wo er am Dienstag in Paris auf Macron, Merkel und Juncker treffen wird. Dort werden die eigentlich wichtigen Gespräche geführt, erläutert Brüssel-Korrespondent Andrea Bonanni in La Repubblica:
„Präsident Xi kann nach Belieben nach Rom reisen, um Memoranden und Verträge zu unterzeichnen. ... Er kann lockere Geschäfte und Finanzierungen sowie eine Welle von Millionen chinesischer Touristen versprechen. ... Aber wenn er mit Europa über gewichtige Themen sprechen will, die den Großmächten am Herzen liegen, dann muss er sich schon nach Frankreich begeben. ... Europa, das wahre Europa, das Europa, das zählt und dem man Rechnung tragen sollte, beginnt nicht in Rom, sondern jenseits der Alpen.“
Mehr Entschlossenheit tut EU gut
Mit einem Zehn-Punkte-Plan will die EU-Kommission die europäischen Interessen gegenüber Peking verteidigen. Damit zeichnet sich eine gemeinsame Front gegen China ab, freut sich La Croix:
„Zum Glück werden sich die Europäer der Bedrohung bewusst. Sie treten immer entschlossener auf. Auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel ging es auch um ein Papier der EU-Kommission zu China, das den Grundsatz der Gegenseitigkeit betont. … Die EU-Staaten müssen sich stärker vor illoyalen, unfairen und intransparenten Praktiken schützen - sowie vor einer Investitionspolitik, die sie bald ihrer Souveränität berauben könnte. In Sachen zwischenstaatlicher Hilfe sollten die Europäer eher sich gegenseitig unterstützen.“