Johnson will Mays Nachfolger werden
Der ehemalige Londoner Bürgermeister und Ex-Außenminister Großbritanniens, Boris Johnson, hat bestätigt, dass er nach einem erwarteten Rücktritt von Theresa May für deren Nachfolge als Regierungschef kandidieren möchte. Mit äußerst gemischten Gefühlen beurteilen europäische Medien diese Nachricht.
Bitte keinen zerstörerischen Politclown!
Bei der Vorstellung, Johnson könnte britischer Premier werden, graut es der Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Nach dem Umstürzler im Weißen Haus ein Politclown - wenn es so käme, dann wäre die Frage, warum der Westen auf dem absteigenden Ast sitzt, um eine Antwort zumindest andeutungsweise reicher. In einer Zeit, in der eigentlich Politiker mit Verantwortungsbewusstsein gebraucht werden, fällt die Wahl auf Spieler. Und Scharlatane, denen das Schicksal der Bürger in Wahrheit vollkommen gleichgültig ist. Für die EU bedeutete das: Boris Johnson wäre einer, der einen Austritt ohne Abkommen als Heldentat feiern würde.“
Nur Mr. Brexit kann die Tories retten
Boris Johnson ist jetzt genau der Mann, den die Tories brauchen, findet hingegen The Irish Independent:
„Ein verbreiteter Vorbehalt gegen Boris ist persönlicher Natur - er hat den Ruf launisch, eitel und nicht vertrauenswürdig zu sein. Politiker, die diese Eigenschaften kritisieren, sind wie Haie, die sich über scharfe Zähne aufregen: Dabei gehören sie zur Spezies dazu. Das Ungewöhnliche an Boris ist, dass er der innewohnenden Boshaftigkeit des politischen Geschäfts mit Humor und klassischer Bildung begegnet. ... In dieser Phase des Untergangs kann es sich die konservative Partei nicht leisten, Zeit damit zu vergeuden, Cambridge oder Brighton [wo die Mehrheit gegen den Brexit gestimmt hat] für sich zu gewinnen. Stattdessen sollte sie versuchen, Plymouth, Morley und Outwood zu halten. Ihr Überleben hängt davon ab, die pro-Brexit-Wahlkreise des Landes zu vereinen. Und Boris ist Mr. Brexit.“
Risiko für wilden Brexit steigt auch ohne Johnson
Es ist unwahrscheinlich, dass Johnson britischer Premier wird, glaubt De Telegraaf:
„Johnson ist zweifellos der prominenteste Kandidat und Favorit in den Umfragen. Wird er zum neuen Parteichef gewählt, nähme das der schnell wachsenden Brexit-Partei von Nigel Farage den Wind aus den Segeln. Das Problem von Johnson ist aber, dass er bei den Anhängern der Konservativen viel populärer ist als bei den eigenen Fraktionskollegen. Doch letztere entscheiden, welche zwei Konservativen um das Amt des Premiers kämpfen dürfen. Daher gibt es auch eine Reihe anderer Kandidaten, die am Ende das Rennen machen könnten. ... Die Chance auf einen Brexit ohne Abkommen wird mit fast allen von ihnen deutlich zunehmen. Sie werden die EU zu Verhandlungen über ein neues Abkommen drängen. ... Die Tories denken, dass in Brüssel nach den EU-Wahlen ein neuer Wind weht.“