Massenproteste setzen Babiš unter Druck
Auf einer Großdemonstration in Prag haben am Dienstag Zehntausende den Rücktritt des tschechischen Premiers Babiš gefordert. Nach monatelanger Untersuchung war die EU in einem Bericht zum Schluss gekommen, dass Babiš in einem Interessenkonflikt steckt, weil seine Firma Agrofert EU-Subventionen in zweistelliger Millionenhöhe erhalten hat. Wird er sich dem Druck beugen müssen?
Die Straße protestiert, die Politik hält still
Dass Babiš allen Protesten zum Trotz weiterhin fest im Sattel sitzt, glaubt Večernji list:
„Derzeit lehnt er resolut jeden Gedanken an einen Rücktritt ab. Der tschechische Präsident Miloš Zeman hat im Moment auch nicht die Absicht, ihn seines Amtes zu entheben, obwohl gegen Babiš eine offizielle Untersuchung eingeleitet worden ist. Auch die Koalitionspartner von Babiš' Partei Ano, die tschechischen Sozialdemokraten, sind nicht willens, ihm das Vertrauen im Parlament zu entziehen, da sie damit auch ihre eigene Position auf dem politischen Parkett gefährden würden.“
Babiš in der Zwickmühle
Babiš wird sein Amt aufgeben müssen, meint hingegen Lidové noviny - die zum Agrofert-Konzern des Premiers gehört:
„Es geht nicht darum, ob Tschechien Millionen Euro an Brüssel zurückzahlen muss und wie das Agrofert verschmerzen könnte. Das Problem liegt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft. Die Firmen des Premiers sind in einer Branche tätig, die ohne Subventionen nicht leben kann. Das kann auch kein Konkurrent von Babiš. Noch haben wir nur einen vorläufigen Untersuchungsbericht aus Brüssel. Wenn der abschließende Bericht aber auch so aussieht, muss Babiš entweder sein Amt als Premier aufgeben oder sich von jeglichem Eigentum trennen. Das ist das Kardinalproblem, das für Babiš unlösbar ist.“
Verlässt Babiš den EU-Kurs?
Premier Babiš nannte den EU-Bericht im Parlament einen Angriff auf Tschechien, der das Land destabilisieren sollte. Právo fürchtet eine radikale politische Wende gegenüber der Europäischen Union:
„Bei den Worten, die der Premier mehrfach wiederholte, lief einem ein kalter Schauer über den Rücken: 'Die ganze EU-Ermittlung ist ein Angriff auf die Tschechische Republik. Brüssel, das uns Migranten aufzwingen will, interpretiert jetzt auch noch unsere Gesetze.' Droht hier der Premier, der eines Interessenkonflikts und der illegalen Verwendung öffentlicher Gelder verdächtig ist, Mitbürgern und Verbündeten damit, lieber seine politische Haltung [gegenüber der EU] zu verändern, als persönlich Verantwortung zu übernehmen? Das wäre ein noch ernsthafterer Grund zur Beunruhigung.“
Orbán und Kaczyński sollten gewarnt sein
Die Großdemos in Tschechien und anderswo geben Anlass zur Hoffnung, kommentiert die Frankfurter Rundschau:
„Der Geist der Freiheit und der Demokratie, der vor 30 Jahren durch Osteuropa wehte, lebt. Das zeigen die jüngsten Entwicklungen in der Slowakei und Rumänien ebenso wie die aktuellen Massenproteste in Tschechien. ... Orbán und Kaczyński werden sich genau ansehen, was da in der Nachbarschaft passiert. Sie werden lernen, dass es in EU-Staaten Grenzen des politisch Durchsetzbaren gibt. Das ist das Geheimnis der Demonstranten: Sie wissen, dass sie sich im Zweifel auf 'die in Brüssel' berufen und verlassen können. Das unterscheidet Tschechien von der Türkei und Rumänien von Russland.“