Mutmaßliche Angriffe auf Tanker im Golf
Zwei Tanker sind im Golf von Oman nach Explosionen in Brand geraten, Norwegens Seefahrtsbehörde bestätigte eine Attacke auf eines der Schiffe. Der Zwischenfall ereignete sich in einer der wichtigsten Seestraßen der Welt, die die ölreiche Golfregion mit dem offenen Meer verbindet. Seit Wochen wachsen dort die Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Was steckt hinter dem Angriff und was sind die Folgen?
Teheran kalkuliert das Risiko
US-Außenminister Pompeo machte Teheran für den Angriff verantwortlich. Auch die Tageszeitung Die Welt glaubt an diese These:
„Nein, die Iraner sind weder dumm noch selbstmörderisch. Sie glauben, dass US-Präsident Donald Trump ein Großmaul ist, der einen Krieg unbedingt vermeiden will. Und sie glauben, dass auch die Verbündeten der USA das wissen. Es handelt sich also um ein kalkuliertes Risiko und eine klare Botschaft an die Welt: Seht her, wir geben in der Region den Ton an. Arrangiert euch mit uns. ... Die Europäische Union sollte die Iraner als Sponsoren des Staatsterrorismus verurteilen, die Farce eines Atomdeals, der nur den Iranern nutzt, beenden und klarstellen, dass die Straße von Hormus notfalls mit Gewalt offen gehalten wird. Und damit dem Teheraner Regime zeigen, dass es sich dieses Mal verzockt hat.“
Trump spielte iranischen Hardlinern in die Hände
Nun droht eine militärische Eskalation, für die die USA verantwortlich sind, findet De Tijd:
„Der Iran steht durch die US-Sanktionen mit dem Rücken zur Wand. Der Ölexport ist faktisch stillgelegt, und die ausländischen Investitionen sind weggefallen. Die USA drohen, alle Länder oder Unternehmen, die mit dem Iran Handel treiben, ebenso zu bestrafen. Dieses harte Vorgehen spielt den Hardlinern im Iran in die Hände. ... Als Trump sich im vergangenen Jahr aus dem Atomabkommen zurückzog, versicherte er, dass es der Sicherheit in der Region zugutekommen werde. Doch es steht fest, dass das Gegenteil eintrat. ... Ein Angriff auf den Iran würde zu einer ungeahnten Kettenreaktion in der gesamten Region führen und vielleicht auch darüber hinaus. Das ist ein Alptraum-Szenario.“
Alles begann 1979
Dass die aktuelle Krise in einem größeren Kontext gesehen werden muss, erläutert der USA-Korrespondent Federico Rampini in La Repubblica:
„Die Spannungen zwischen Riad und Teheran, die sich in blutigen Stellvertreterkriegen in Palästina, im Libanon, in Syrien und dem Jemen niederschlagen, gehen auf das Jahr 1979 zurück. Das war die Stunde Null des modernen islamischen Fundamentalismus. Denn vor 40 Jahren triumphierte die khomeinistische Revolution im Iran. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die Große Moschee von Mekka von sunnitischen Fundamentalisten besetzt. Die saudische Monarchie, aus Angst, sie könnte wie der Schah von Persien abgesetzt werden, beschloss, sich mit dem reaktionärsten Teil ihres Klerus zu verbünden und sich dem Rückschritt zu verschreiben. Der Wettkampf zwischen Saudis und Iranern, Fundamentalismus und Dschihad zu verbreiten, hatte damals seine Geburtsstunde.“
Jetzt ist höchste Vorsicht geboten
Reaktionen, die nicht zur Deeskalation beitragen, kritisiert El Periódico de Catalunya als verantwortungslos:
„Weder die Anschuldigungen der USA gegen den Iran durch Trumps Außenminister Mike Pompeo - ohne eindeutige Beweise in der Hand zu haben - noch die Position derjenigen, die die akute Gefahr einer Eskalation herunterspielen, werden der Lage gerecht. Denn ohne zu wissen, was in der Meerenge wirklich geschehen ist, scheint es die einzig verantwortungsvolle Reaktion zu sein, wie die EU und Japan erst einmal zur Ruhe aufzurufen und das Vertrauen oder den Respekt unter den Gegnern wieder aufzubauen. Damit kann verhindert werden, dass die per se instabile Region noch labiler wird, der Ölpreis steigt und dabei die Wirtschaft schädigt.“