Regierungswechsel in Griechenland
Nach dem Sieg der konservativen Nea Dimokratia bei der griechischen Parlamentswahl ist am Dienstag das neue Kabinett des Wahlsiegers Kyriakos Mitsotakis vereidigt worden. Europas Medien sehen dessen Erfolgsaussichten mit Skepsis und analysieren den Einfluss des griechischen Wahlsystems auf seinen Sieg.
Linke Griechen bekommen konservative Regierung
Die Parlamentsmehrheit der Konservativen ist ungerecht, kritisiert 24 Chasa:
„Die Wahlen in Griechenland haben gezeigt, wie ironisch die Geschichte sein kann. Gewonnen hat Nea Dimokratia, die konservative neoliberale Partei, die Griechenland die Schuldenfalle eingebrockt hat. Verloren hat Syriza, die schuldlos die Zeche zahlen musste. Wäre das griechische Wahlsystem normal, säße Nea Dimokratia in der Opposition. Sie erhielt weniger als 40 Prozent der Stimmen, alle anderen Parteien im Parlament sind links oder Mitte-links. Das normale Ergebnis wäre also 108 Sitze für Nea Dimokratia und 142 Sitze für die Linken gewesen. Da das griechische Wahlsystem 50 Extra-Mandate für den Wahlsieger vorsieht, ist das Ergebnis jedoch 158 zu 142 Sitze. Auf diese Weise bekommen nun die Griechen, die vorwiegend links gewählt haben, eine konservative Regierung.“
Kein Platz für Mehrparteiensystem
Eine Tendenz zur Spaltung der Wählerschaft in zwei Pole beobachtet Kolumnistin Xenia Tourki in Phileleftheros:
„Nea Dimokratia und Syriza erhielten zusammen mehr als 70 Prozent der Stimmen. Die anderen Parteien scheinen nicht in der Lage zu sein, diese Front zu durchbrechen. Die Erwartungen der vorherigen Wahlen, dass ein Mehrparteiensystem geschaffen werden könnte, wurden nicht erfüllt. Diese Tendenz gibt es jedoch nicht nur in Griechenland. Wir können sie in vielen anderen Ländern wie Spanien oder Frankreich beobachten. … In Griechenland entstand der Bipolarismus am Thema Sparmemoranden. Die Konfrontation zweier Pole, wie auch immer sie geartet sein mögen, wird kaum verschwinden.“
Mitsotakis wird es schwer haben
Leicht wird es für die Wahlgewinner nun nicht, dämpft das Onlineportal Liberal die Erwartungen:
„Nea Dimokratia wurde vielleicht von 40 Prozent der Wähler gewählt, aber paradoxerweise sind der Partei, trotz dieses hohen Prozentsatzes, die Hände gebunden, ihr Programm umzusetzen. Sie vermittelt auch nicht den Eindruck eines Gewinners, der die von Syriza eingeführten Gesetze in den Bereichen Justiz, Bildung, Gesundheit und Sicherheit zurückdrehen kann. Nea Dimokratia könnte freier agieren, wenn Syriza bei 23 Prozent oder unter der psychologischen Marke von 27 Prozent geblieben wäre. Jetzt ist es anders. Jetzt wird ihr die wütende Reaktion der Abgeordneten und der Leute auf der Straße sowie des Establishments entgegenschlagen, die von diesen Gesetzen profitieren.“
Gesellschaftlicher Frieden in Gefahr
Mitsotakis verspricht den Bürgern zu viel, meint Keskisuomalainen:
„Dem linken Premier Alexis Tsipras ist es überraschend gut gelungen, trotz schmerzhafter Entscheidungen den gesellschaftlichen Frieden im Land zu erhalten. Jetzt könnte sich die gesellschaftliche Konfrontation vertiefen. Nach Meinung vieler handelt Mitsotakis nicht im Interesse der Armen, wenn er dem Land, dessen Wirtschaft um ein Viertel kleiner ist als vor der Schuldenkrise, und den Bürgern, deren Kaufkraft eingebrochen ist, eine Zeit des neuen Wachstums und Steuererleichterungen verspricht.“
Griechen japsen nach Luft
Das Wahlergebnis sollte auch den europäischen Geldgebern zu denken geben, meint De Volkskrant:
„Der neue griechische Premier Kyriakos Mitsotakis versprach den Wählern Steuererleichterungen und ein Ende der 'Verzweiflung' der Sparmaßnahmen. Die Frage ist, wie er das realisieren will, ohne die europäischen Haushaltsregeln oder Kreditbedingungen zu verletzen. Auch ist unklar, welche Reformen er umsetzen will, um die griechische Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. ... Das blinde Vertrauen der Wähler, die deutlich mit Blick auf ihr eigenes Portemonnaie entschieden haben, lässt das Schlimmste befürchten. Die europäischen Geldgeber müssen also nun überlegen, ob sie den Griechen nicht doch mehr Luft hätten geben müssen.“
Die Falle guter alter Zeiten
Mitsotakis muss für Griechenland ein neues Kapitel aufschlagen, mahnt Hospodářské noviny:
„Sein Wahlsieg erweckt den Eindruck, dass die Ära der Familiendynastien zurückkehren könnte. Wenn der Premier aber dort anknüpfen würde, wo seine Vorfahren aufgehört haben, wäre nichts Positives zu erwarten. Deshalb betonte Mitsotakis im Wahlkampf, man möge nicht auf seinen Namen schauen, sondern auf seinen Lebenslauf. Die Erfahrungen im Bankensektor und in der Beraterfirma McKinsey sollten ihm, der in Harvard und Stanford studiert hat, helfen, seine Versprechen durchzusetzen. ... Die größte Aufgabe wird sein, in der eigenen Partei darauf zu achten, dass man sich dort mit der Rückkehr einer Dynastie nicht auch die Rückkehr zu 'guten alten Zeiten' erhofft.“
Ende eines Irrwegs
Das waren sie also, die linkspopulistischen Ausflüge Griechenlands, resümiert ABC:
„Das politische Abenteuer unter Alexis Tsipras lässt sich einfach zusammenfassen: Im besten Fall hat Griechenland vier Jahre auf diesem Irrweg verloren, der das Land praktisch wieder an die Stelle geführt hat, wo es vorher war. Mit einem demagogischen und unrealistischen - also populistischen - Diskurs bestieg Tsipras die politische Bühne während der schwersten Wirtschaftskrise Griechenlands und machte unerfüllbare Versprechen. Von seinem skurrilen Wirtschaftsminister Yanis Varoufakis beflügelt, entschied er sich zunächst, die Dinge zu verschlechtern, indem er mit den europäischen Bündnispartnern die einzigen Länder verprellte, die bereit waren, ihm zu helfen, bis er schließlich bemerkte, dass er auf dem Holzweg war.“
Die Rechnung ist beglichen
Dass die Griechen genug von Tsipras haben, findet der Journalist Roberto Arditti in Huffington Post Italia verständlich:
„Es sind nicht die internationalen Kredite, die den Haushalt saniert haben. Die berühmten 280 Milliarden Euro (so viel ist der geschätzte Betrag) wurden nur vorübergehend von den Finanzmärkten zur Verfügung gestellt und kehrten dorthin auch (mit kräftigen und immer besser garantierten Zinsen) prompt zurück. Die Sanierung Griechenlands erfolgte durch ein massives Manöver bei den Einkommen und den Sozialleistungen. Sie wurde somit vollständig von den Griechen bezahlt, die jetzt bis über den Hals verschuldet sind und bis 2060 milliardenschwere Raten zu zahlen haben. Deshalb wurde mit der Parlamentswahl schlicht und ergreifend eine seit vier Jahren offene Rechnung beglichen: Die Lüge von Tsipras im Jahr 2015 hat endlich ihre gerechte Strafe gefunden.“
Syriza hat überlebt
Die bisherige Regierungspartei Syriza ist jedoch keinesfalls untergegangen, freut sich TVXS:
„Der Plan, der Partei eine 'strategische Niederlage' zu verpassen, ist gescheitert. Mit ihrem hohen Wahlergebnis (mehr als 31 Prozent), einem der höchsten innerhalb der Oppositionsparteien in Europa, ist sie nach wie vor der dominierende progressive Pol des politischen Systems, trotz der Schläge, die sie in den vergangenen vier Jahren erhalten hat. ... Alexis Tsipras ist nun aufgefordert, eine neue, besser organisierte und mächtigere Partei mit modernen Strukturen zu gründen, die den politischen Raum von der Sozialdemokratie bis zur radikalen Linken repräsentieren kann. Syriza muss sich sofort neu konstituieren, um gegen das neoliberale Programm von Nea Dimokratia zu halten.“
Gut gebrüllt, Löwe
Die neue Regierung wird keinen großen finanziellen Spielraum haben, erklärt Die Presse:
„[Mitsotakis] verspricht wieder viel, will die Privatisierungen vorantreiben, die Steuern senken und den Mittelstand entlasten, die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Gut gebrüllt, Löwe. Nur werden es die ausländischen Gläubiger kaum zulassen, dass der in der Eurozone nach wie vor am höchsten verschuldete Staat in seiner Sparpolitik nachlassen kann. Zu oft schon haben ausgabenfreudige Regierungen Griechenland in die Pleite manövriert. Also abwarten, was der Herr Mitsotakis angesichts dieser Zwangslage wirklich zusammenbringt.“
Noch immer kein modernes Land
Dass es mit dem Sieg der Nea Dimokratia nun aufwärts geht in Griechenland, steht auch für Dagens Nyheter noch nicht fest:
„Der derzeitige Parteichef, Kyriakos Mitsotakis, hat in Harvard studiert und versucht, sich von den alten schlechten Gewohnheiten seiner Partei zu distanzieren. Gleichzeitig muss aber der rechte Flügel bei Laune gehalten werden. Und auch wenn die versprochenen Steuersenkungen tatsächlich in Angriff genommen werden, sind Investitionen, ohne dass die Schulden erneut explodieren, in Griechenland alles andere als selbstverständlich. Steuerhinterziehung ist ein Nationalsport. Das Rentensystem ist zu teuer. Griechenland hat noch viel zu tun, bevor es sich als modernes europäisches Land qualifiziert.“