Assads Offensive: Was wird in Idlib entschieden?
In der syrischen Provinz Idlib, eigentlich als Deeskalationszone deklariert, nehmen die Kämpfe zu. Mit Russlands Unterstützung rückt Assads Armee in dem Rebellengebiet auf die Stadt Khan Scheikhun vor, Zehntausende sind auf der Flucht. Das Verhältnis zwischen Ankara und Moskau ist angespannt, nachdem ein türkischer Militärkonvoi aus der Luft angegriffen wurde.
Türkei zwischen allen Fronten
Die Angriffe des syrischen Regimes auf türkische Truppen in Idlib der vergangenen Woche ist Teil einer größer angelegten Strategie, analysiert die regierungstreue Yeni Şafak:
„Es macht keinen Sinn, die Drohungen des Regimes in Damaskus ernst zu nehmen, wenn es ohne die Unterstützung von Russland in der Luft und des Iran zu Lande gegen die Freie Syrische Armee gar nicht bestehen kann. Es ist offensichtlich, dass Russland die Aufkündigung des im vergangenen Jahr geschlossenen Abkommens [über eine Waffenruhe in Idlib] dazu nutzt, um die Türkei in der Region in die Ecke zu drängen. Manche sind der Ansicht, das dies als Vergeltung für Ankaras jüngsten Versuch zu interpretieren ist, mit den USA zusammenzuarbeiten.“
Neue Verfassung für Syrien überfällig
Moskau und Damaskus sollten dringend zum Astana-Friedensprozess zurückkehren, mahnt die regierungstreue Daily Sabah:
„Die Pufferzone um Idlib hätte eigentlich eine Ruhepause schaffen sollen, um eine neue, demokratische Verfassung für das vom Krieg zerrissene Syrien zu schreiben. Doch offensichtlich war die Idee einer neuen Verfassung das eigentliche Problem für das syrische Regime. Die Zustimmung Russlands dazu hat viele gelinde gesagt überrascht. ... Der nicht so gut durchdachte syrische Angriff in Idlib [auf türkische Wachposten vergangene Woche] gefährdet nun nicht nur das türkische Militär rund um Idlib, sondern birgt auch die Aussicht auf einen erneuten umfassenden Bürgerkrieg in Syrien. ... Um die Einheit Syriens zu bewahren, müssten sofort eine demokratische Verfassung geschrieben sowie freie und faire Wahlen im Land abgehalten werden.“
Die Diktatur in Damaskus ist nicht die Lösung
Europa wäre gut beraten, sich um Syrien zu kümmern, mahnt Kolumnist Lorenzo Cremonesi in Corriere della Sera:
„Wir Europäer sind abgelenkt. Niemand glaubt mehr an den Wunsch nach Freiheit und demokratischer Erneuerung, der vor allem in Syrien den Ausbruch des 'Arabischen Frühlings' im Jahr 2011 zeichnete. Viele von uns sind der Meinung, dass ein Diktator angesichts des islamischen Extremismus, der in den von der Revolte destabilisierten Ländern Nährboden gefunden hat, das richtige Mittel ist, um 'die Dinge in Ordnung zu bringen'. Doch Berichte aus Idlib und Umgebung weisen darauf hin, dass ein großer Teil der syrischen Zivilbevölkerung trotz allem die Wiederherstellung des Regimes nicht will. ... 'Terroristen sind die Kinder von Diktaturen', sagt der algerische Intellektuelle Kamel Daoud. Allein aus diesem Grund sollten uns die Entwicklungen in Syrien besorgen.“
Moskaus undurchsichtige Strategie
Nowaja Gazeta sieht einen neuen Bruch zwischen Russland und der Türkei nahen:
„Für Ankara ist nicht so wichtig, ob russische Flugzeuge an dem Angriff auf den türkischen Konvoi beteiligt waren oder nicht: Die Verantwortung dafür sehen die Türken ohnehin bei Russland, das sich verpflichtet hatte, keine aktiven Angriffe seitens Damaskus und Teherans zuzulassen. Das folgt unter anderem aus einer scharfen Erklärung des türkischen Verteidigungsministeriums. Doch stellt sich eine für alle Seiten wichtige Frage: Inwieweit ist Russland fähig, auf Damaskus und Teheran Einfluss zu nehmen? Und weiter: Will es die Vereinbarungen zu Idlib überhaupt aufrechterhalten oder ist es Moskau wichtiger, mit diesem 'Terrornest' um jeden Preis Schluss zu machen, um dann gut begründet den 'Sieg der russischen Waffen über den Terrorismus in Syrien' zu verkünden?“
Am Dialog mit Russland führt kein Weg vorbei
Da die Türkei ihre Stellungen in Syrien nicht aufgeben will, sollte sie versuchen, auf diplomatischem Weg die Spannungen zu beseitigen, betont Hürriyet:
„Die türkische Militärpräsenz erfordert durch die Schwierigkeiten auf dem Feld eine Form von Verhandlungen mit Syrien und/oder Russland. Möglicherweise glaubt Russland auch, nun eine Gelegenheit gefunden zu haben, die Türkei in einen Dialog mit Syrien zu bringen und die Strategie zu verwirklichen, sich gemeinsam an den Verhandlungstisch zu setzen. ... Doch solange die Türkei es vorzieht, mit Syrien keinen Dialog zu führen, ist sie gezwungen, den ganzen Prozess wieder über Russland laufen zu lassen. Diese Situation dürfte in der Syrien-Gleichung Moskau gegenüber Ankara stärken.“