Erdoğan spielt wieder mit
Das Treffen ist auf jeden Fall ein positives Zeichen, glaubt Népszava:
„Der US-Präsident hat mal mit der Zerstörung der türkischen Wirtschaft gedroht, dann wieder hat er den türkischen Staatschef als einen 'harten Kerl' bezeichnet, der 'Respekt verdient'. Allein das Zustandekommen des für eine lange Zeit suspendierten Treffens hat vor diesem Hintergrund Bedeutung und zeigt, dass das eisige Verhältnis anfängt, aufzutauen. Dem türkischen Präsidenten war das Treffen zusätzlich nützlich, da er beweisen konnte, dass er in der internationalen Gemeinschaft keineswegs als Paria gilt, und nicht einmal die schwierigsten Kontroversen die strategischen Allianzen aushöhlen können.“
Raketen-Streit auf die lange Bank geschoben
Die größten Unstimmigkeiten gibt es bezüglich des russischen S-400-Raketenabwehrsystems, das die Türkei kürzlich angeschafft hat, betont T24:
„Bis zum Treffen zwischen Erdoğan und Trump herrschte in Ankara die Ansicht, dass der Senat den Sanktionsbeschluss absegnet, aber Trump sein Veto einlegt oder lebenswichtige Artikel nicht anwendet. Trump denkt jedoch überhaupt nicht so. Er hat angedeutet, ja sogar gesagt, dass er nicht still bleiben wird, wenn die in Russland produzierten Raketen von der Türkei eingesetzt werden. ... Aber es wurde wohl eine Zwischenlösung gefunden. Um das S-400-Problem zu lösen, soll eine Kommission aus Sicherheitsberatern gegründet werden. Diese Kommission wird eine Lösung suchen. Wie lange das dauern wird? Ende offen!“
Griechenland muss jetzt sehen, wo es bleibt
Dass Trump und Erdoğan sich offenbar gut verstehen, ist für den Politikwissenschaftler Kostas Lavdas in HuffPost Greece ein alarmierendes Zeichen:
„Die Trump-Präsidentschaft wird zu einer ernsthaften Herausforderung für die nationalen Interessen Griechenlands. ... Es bedarf einer stärkeren Annäherung an Frankreich. ... Die Beziehungen zu Moskau müssen verbessert werden. Die Beziehungen zu Israel müssen so weit wie möglich gefestigt werden. Es ist notwendig, - und hier passieren schon einige positive Schritte beispielsweise mit China - dass Griechenland ein Ziel für Investitionen aller Art wird.“
Langsam wird sich die Nato des Problems bewusst
L'Obs erinnert daran, dass Ankara die Nato derzeit vor große Probleme stellt:
„Recep Tayyip Erdoğans Türkei ist Nato-Mitglied und vereint alle derzeitigen strategischen Widersprüche: Zunahme des Autoritarismus, unsichere Bündnisse, Unilateralismus, politischer Islam. ... Wenn es ein Problem mit der Türkei gibt, dann ist dieses gerade dabei, ans Licht zu kommen und alle Akteure dazu zu zwingen, Stellung zu beziehen. Macrons aufsehenerregendes Interview in der britischen Wochenzeitschrift The Economist vom 7. November, in dem er sagt, die Nato sei 'hirntot', ist der Türkei geschuldet.“
Zwei von unterschiedlichem Kaliber
Für Kommersant hat Trump seinem türkischen Kollegen einiges voraus:
„Wenn Trumps Verhalten als Lehrstück zum Umbau und zum Zerschlagen der Welt gelesen werden kann, so ist Erdoğans Verhalten eher eine Anleitung zum Überleben. ... Eine gute Illustration von Trumps Ansatz ist das Leak über ein angebliches 100-Milliarden-Dollar-Geschäft, das er gerne mit Erdoğan abschließen wollte - obwohl er vor kurzem noch gedroht hatte, dessen Wirtschaft zerstören zu wollen. Überhaupt liebt es Trump, an seine internationalen Initiativen beeindruckende Preisschilder zu hängen. So lassen sie sich leichter dem heimischen Publikum verkaufen.“
Echte Fortschritte wurden erzielt
Erleichtert über das Treffen der beiden Staatschefs zeigt sich die regierungstreue Tageszeitung Sabah:
„Mit den Worten von Präsident Erdoğan werden die türkisch-amerikanischen Beziehungen, die einen schmerzhaften Prozess durchlaufen haben, wieder ins Lot kommen. ... Trotz der wirtschaftlichen, bürokratischen und politischen Sabotage der Oppositionellen, die sich am anderen Ende des Ozeans, in Europa, im Nahen Osten und in unserem Land eingenistet haben, haben Herr Erdoğan und US-Präsident Donald Trump bei vielen Themen ernsthafte Fortschritte erzielt. Der gestrige Gipfel zeigt, dass die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei von nun an einem neuen Fahrplan folgen werden. Für die Türkei ist natürlich das wichtigste Thema, dass das Risiko eines Terrorstaats im Norden von Syrien vollkommen beseitigt wird.“
In Wahrheit hat Erdoğan nichts erreicht
Ein Grund zum Feiern ist das Ergebnis des Besuches sicher nicht, entgegnet die kemalistische Tageszeitung Sözcü:
„Hat es einige geheime Deals gegeben, wie die amerikanische Presse behauptet? Wenn ja, was sind diese Deals? Wurde mit Trump über seine hässliche Erpressung gesprochen, das Vermögen einiger türkischer Politiker untersuchen lassen zu wollen? ... Was ist aus der Entscheidung des US-Repräsentantenhauses über den armenischen Genozid und Sanktionen geworden? Haben die USA akzeptiert, die Hilfe für die feindliche YPG/PKK einzustellen? Es gibt noch viel mehr Fragen und aus allen ist nichts geworden! Wir müssen die [Erdoğan-] Unterstützer, die die US-Reise als Sieg bezeichnen, fragen: Was ist die Wahrheit? Wir sollten uns nicht selbst betrügen. Wir sollten diese heldenhafte Stimmung aufgeben und uns der bitteren Wahrheit stellen!“
Einer Versöhnung steht vieles im Wege
Dass sich das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei in absehbarer Zeit verbessert, glaubt auch Rzeczpospolita nicht:
„Der Syrienkonflikt erschöpft den Katalog der türkisch-amerikanischen Probleme bei weitem nicht. Ankara hat das Auslieferungsersuchen für den in Pennsylvania lebenden Fethullah Gülen, einen islamischen Prediger, den Ankara für den gescheiterten Putsch im Jahr 2016 verantwortlich macht, nie zurückgezogen. Und in der US-Hauptstadt herrscht seit langem eine ungünstige Atmosphäre für eine Aussöhnung mit der Türkei. Vor kurzem hat das Repräsentantenhaus das Abschlachten der Armenier zu Zeiten des Osmanischen Reiches mit großer Mehrheit als Völkermord anerkannt. Es war eine Reaktion auf die brutalen Aktionen der Türkei gegen die Kurden in Syrien.“