Athen richtet geschlossene Flüchtlingslager ein
Die konservative Regierung in Athen schlägt einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik ein: Die drei größten Auffanglager auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos will sie schließen und künftig durch geschlossene Zentren ersetzen - sogenannte "Identifikations- und Abreisezentren". Kommentatoren sehen die EU in der Verantwortung.
Griechenland entlasten
Die EU darf Griechenland in der Migrationspolitik nicht alleine lassen, fordert der Athen-Korrespondent des Handelsblatts, Gerd Höhler:
„Sie darf nicht länger so tun, als ginge sie das alles nichts an. Die Union muss endlich die Lasten gerechter verteilen und Ankunftsländern wie Griechenland einen Teil der Asylverfahren abnehmen. So oder so wächst der Migrationsdruck auf Europa. Früher oder später werden die in Griechenland gestrandeten Migranten versuchen, in andere EU-Staaten zu gelangen - trotz geschlossener Grenzen. Es ist besser, die Ströme jetzt zu steuern - bevor die Kontrolle verloren geht wie im Krisensommer 2015.“
Sie werden weiterhin kommen
Abschreckung ist keine Lösung, erinnert Daily Sabah:
„Griechenland macht die ägäischen Inseln zu Konzentrationslagern für Flüchtlinge. ... Mit den strengen Maßnahmen gegen ungeregelte Einwanderung ist Griechenland nicht alleine. Andere europäische Regierungen folgen dem Beispiel und räumen ein, dass sie die Flüchtlingsfrage nicht lösen können. Als Antwort fordern sie eine Kombination aus harten Maßnahmen und Abschiebung. Diese Schritte reichen jedoch nicht aus, um das Problem an sich zu lösen. Was auch immer die Europäer tun, um den Geflüchteten Angst einzujagen: die Migranten werden sich nicht abbringen lassen. Aus einem einfachen Grund: Die Menschen fliehen vor Gewalt, Tod und Chaos in ihrer Heimat. Sie gehen davon aus, dass die Europäer sie nicht so schlecht behandeln können wie ihre eigenen Regierungen. Ein triftiges Argument.“
Die Inseln sollten das nicht zulassen
Die Regierung in Athen muss sich auf Proteste der Inselbevölkerung gefasst machen, warnt Efimerida ton Syntakton:
„Die Anwohner wissen, dass es nicht zu ihrem Vorteil ist, weite Teile der Inseln in Ausnahmen von der Rechtsstaatlichkeit zu verwandeln, egal wie sehr die Regierung versucht, sie mit wirtschaftlichen Vorteilen zu überzeugen. … Gleichzeitig besteht die reale und unmittelbare Gefahr, unser Land von einer Wiege der Demokratie und einem Vorbild an Solidarität wie in den letzten Jahren zu einem Negativbeispiel für die internationale Gemeinschaft zu verwandeln, in einem Zug mit den Visegrad-Staaten, dem Italien des rechtextremen Salvini oder Australien.“
Erdoğan macht wieder Druck
Für die steigenden Flüchtlingszahlen in der Ägäis macht Die Presse den türkischen Präsidenten Erdoğan verantwortlich:
„Wer nicht registriert ist, muss Istanbul seit Ende des Sommers verlassen. Das treibt etliche Flüchtlinge Richtung Europa. Ebenso die Aussicht, in die Schutzzone deportiert zu werden, die Erdoğan in Nordsyrien errichten will. Zudem läuft bald der sechs Milliarden Euro schwere Flüchtlingsdeal aus, den Erdoğan im März 2016 mit der EU abgeschlossen hat. Es ist kein Zufall, dass er zuletzt nicht nur rhetorisch wieder an der Migrationsschleuse nach Europa gedreht hat. Er will die nächste Tranche herausverhandeln. ... Ganz ohne Kooperation mit Ankara wird es schwer gehen. Erpressbar sollte sich Europa vom türkischen Autokraten jedoch nicht mehr machen lassen. Aus der Abhängigkeit wird sich die EU nur befreien, wenn sie fähig ist, ihre Außengrenze selbst zu schützen. “