Black Friday: Konsumrausch als Symptom?
Der heutige letzte November-Freitag wird unter der Losung Black Friday von immer mehr Unternehmen genutzt, um Kunden mit Angeboten zu locken. Nach US-Vorbild wird so auch das Weihnachtsgeschäft marketingwirksam eingeläutet. Für Kommentatoren zeigt das Rabattspektakel, dass unsere Gesellschaft kritiklos dem Konsum frönt. Sie geben aber auch zu bedenken, dass Verzicht an diesem Tag durchaus Luxus ist.
Heute Ernst machen mit dem Klimaschutz
Zum Black Friday sollten Konsumenten ihre Macht beweisen, fordert die Luzerner Zeitung:
„Der Verzicht fällt uns schwer. Gleichzeitig sehen wir uns selten als Teil des Problems, selbst wenn wir munter günstige Ware aus Fernost bestellen und nach Mexiko in die Ferien fliegen. Öffentlichkeitswirksame Aktionen wie der Klimastreik, der diesen Freitag mit dem Black Friday zusammenfällt, steigern das Bewusstsein für das Problem und die Folgen des eigenen Handelns. Kontraproduktiv ist jedoch, wenn die Akteure zu moralisierend auftreten und sich Konsumenten bevormundet fühlen. Denn deren Macht sollte nicht unterschätzt werden. Bei jedem Kauf können sie entscheiden, ob sie ein Unternehmen belohnen, das faire Löhne zahlt, umweltbewusst produziert und Menschenrechte respektiert. Am besten schon am Freitag.“
Nicht alle können sich Boykott leisten
Zugunsten der Umwelt Vergünstigungen zu ignorieren, ist nicht allen Menschen möglich, geben der Ökonom Jérôme Batout und der Berater Geoffroy Daignes in Le Figaro zu bedenken:
„Sieht man die Mittelschicht und das einfache Volk sich weltweit auf die Angebote stürzen, könnte man schlussfolgern, dass übermäßiger Konsum den weniger Betuchten zuzuschreiben ist – und folglich auch der damit einhergehende Klimawandel. Die Superangebote zum Black Friday richten sich aber in erster Linie gerade an eine Bevölkerungsgruppe, die auf Preisnachlässe angewiesen ist, um ihre Kaufkraft zu bewahren. Einige haben wirklich keine andere Wahl, als für Anschaffungen auf diesen Tag zu warten. Die Reichsten können sich der Sonderangebote leicht erwehren.“
Was ihnen wirklich fehlt, merken Konsumenten nicht
Die Menschen sind Opfer ihrer Leidenschaften geworden, bemerkt Schriftstellerin Sofia Margariti in To Vima:
„Unsere Konsumgesellschaft hat einen totalitären Charakter bekommen, da sie materielle Bedürfnisse als globale und metaphysische Werte darstellt und geschickt die Auswirkungen dieser Mutation vertuscht. Der Mensch als Opfer hat alle Abwehrmechanismen erschöpft und betrachtet seinen Mangel als Mangel an 'Haben', nicht als Mangel an 'Sein'. Er hat nicht Angst, dass die langanhaltende Wirtschaftskrise eine tödliche Bedrohung für sein Leben oder seine Freiheit darstellen kann, sondern, dass die Reduzierung des Konsums und des Genusses seinen Komfort und seine Güter bedrohen wird.“
Wir shoppen gemütlich, die Amazon-Sklaven ackern
In einigen Städten Italiens streiken dieser Tage die Amazon-Paketboten. Recht haben sie, findet La Stampa:
„Sie sind die neuen Sklaven. Nur weiß das niemand. ... Mit ihrem Streik richten sich die Paketboten während der Tage des Black Friday gegen Amazon, an denen der amerikanische Riese des Online-Shoppings die fettesten Geschäfte macht. Das mag für Jeff Bezos kein großer finanzieller Verlust sein, wird aber zumindest die Aufmerksamkeit auf die Arbeitsbedingungen der Boten lenken. ... Wir sitzen am Computer, müssen bei Regen nicht das Haus verlassen und wählen die vielen schönen Weihnachtsgeschenke mit Rabatt aus. Und stellen uns dabei nicht einmal vor, was hinter dem Paket steckt … Arbeiter, die gezwungen sind, unter Bedingungen zu arbeiten, die an die Fließbänder des Fordismus erinnern.“
Leider die falschen US-Ideen kopiert
Die Europäer sollten sich von den Amerikanern lieber das Thanksgiving-Fest abschauen, das gestern gefeiert wurde, fordert Kolumnist Larry Donnelly in thejournal.ie:
„Von allen Dingen, die die USA weit über ihre Grenzen hinaus exportiert haben, ist der Black Friday das Schlimmste. Wenn ich Black Friday-Werbungen von angesehenen irischen Einzelhändlern höre oder lese, verzweifle ich. Auf der anderen Seite wünsche ich mir, dass das Thanksgiving-Fest überall in der Welt gefeiert wird – auch wenn ich mit dieser Äußerung das Risiko eingehe, als Kulturimperialist bezeichnet zu werden. Wäre es nicht edel und erstrebenswert, für das zu danken, was wir haben? Viele von uns neigen dazu, sich ständig mit all dem zu beschäftigen, das in unserem Leben und in unserer Welt falsch läuft. Es ist gut, das Negative beiseite zu lassen und das Positive hervorzuheben – wenn auch nur für einen Tag.“
Weihnachtsgeschäft beginnt halt schon im November
Der Kritik, dass die Rabattaktionen rund um den Black Friday übermäßigen Konsum befördern, widerspricht Amid Faljaoui in seiner Kolumne bei Trends-Tendances:
„Der Black Friday verführt nicht zum Kaufrausch, wie oft gesagt wird. Die Verbraucher ziehen ihre Weihnachtseinkäufe einfach nur vor. Anders ausgedrückt: Der Black Friday kommt nicht zu den Preisnachlässen am Jahresende hinzu, sondern ersetzt diese. Er stellt einen Höhepunkt der Ausgaben dar, doch auf das gesamte Jahr gerechnet bleiben die Umsätze der Händler stabil, wenn sie nicht gar zurückgehen. Technisch kann man also nicht von Überkonsum sprechen, sondern von zeitlich verschobenem Konsum. Die andere unangenehm zu hörende Wahrheit für den stationären Handel ist, dass heute Amazon und seine kleinen Brüder den Terminkalender der Preisnachlässe diktieren, nicht mehr der Gesetzgeber oder die Handelsverbände.“
Konsumwahn ist anachronistisch
Über den cleveren Protest alternativ denkender Unternehmen gegen den reinen Kaufrausch freut sich Akeneo-Chef Fred de Gombert in Les Echos:
„Nature & Découvertes führt einen 'Fair Friday' durch, an dem die in den Mittelpunkt gestellten 'Reduktionen' keine Preisvergünstigungen sind, sondern die Reduktionen der Biodiversität. … Die Carsharing-Plattform Drivy bot vergangenes Jahr denjenigen Nutzern 50 Euro, die den Black Friday boykottieren. Und [die Bioladenkette] Naturalia hat die Aktion 'Vrack Friday' gestartet, um die Franzosen für den Kauf von unverpackten Produkten und somit für Müllvermeidung zu sensibilisieren. In Zeiten des Klimanotstands mobilisieren Firmen und Vereine aus verschiedenen Bereichen für ein ökologisches, gesellschaftliches und bürgerorientiertes Umdenken. Die Ära des Überkonsums ist vorüber, willkommen in einem verantwortungsvollen und intelligenten Konsum!“
Wo Konzerne profitieren, machen Läden dicht
Große Online-Promotionen im Vorweihnachtsgeschäft nehmen Einzelhändlern in Innenstädten die Kunden weg, erinnert Irish Examiner:
„Man muss kein Einkaufsmuffel sein, um zu erkennen, dass Black Friday und Cyber Monday ausgeklügelte Marketing-Strategien sind, die nur ein Ziel kennen: Produkte rechtzeitig abzusetzen, damit sie unter dem Weihnachtsbaum landen. Dennoch beweist eine von PricewaterhouseCoopers in Auftrag gegebene Umfrage, wie erfolgreich die Idee in relativ kurzer Zeit geworden ist. ... Dieses Event, wenn es denn ein solches ist, verkörpert die perfekte Mischung aus Konsumkultur und Technologie. Dem Verbraucher und dessen Laptop wird Weihnachten in derart komfortabler Weise zugänglich gemacht, dass man es kaum ignorieren kann. Und im Januar werden wir dann wieder klagen, dass das Geschäftsleben in größeren und kleineren Städten im Sterben liegt.“