Nato-Debatte: Treffen von Macron und Stoltenberg
Kurz vor dem Nato-Gipfel kommende Woche in London haben sich der französische Präsident Macron und Nato-Generalsekretär Stoltenberg am Donnerstag zum Gespräch im Elysée-Palast getroffen. Dabei bestärkte Macron seine Kritik an dem Bündnis. Auch Kommentatoren wünschen sich eine Debatte über die Zukunft der Organisation.
Wo ist der gemeinsame Feind?
In seinem Jubiläumsjahr muss sich der einst gegen den Kommunismus gegründete Nordatlantikpakt ernsthaft über eine Neuausrichtung Gedanken machen, analysiert La Vanguardia:
„Hier geht es nicht um eine nette Zusammenkunft, bei der man gemeinsam 70 Kerzen auf einer Torte ausbläst. Die gesamte Welt versucht bereits jetzt, Einfluss auf die Agenda und die Entscheidungen dieses wahrscheinlich historischen Gipfeltreffens zu nehmen. ... Macron stellte eine Reihe wichtiger und opportuner Fragen. Gegen wen muss sich die Nato im Jahr 2019 verteidigen? Wer ist der gemeinsame Feind? Hat einer der ersten Mitgliedstaaten, die Türkei, nach der Attacke auf Nordsyrien noch Platz im Klub? Paris will den Fokus von der Bedrohung durch China oder Russland nehmen und sich stattdessen auf den Kampf gegen den Dschihadismus konzentrieren.“
Einige wollen nicht verstehen
Macron richtet sich an jene Mitglieder des Bündnisses, die die Gründe für seine Hirntod-Aussage nicht verstehen wollen, meint Delo:
„Der erste und wichtigste Grund ist der komplette Mangel einer ernsthaften strategischen Zusammenarbeit zwischen den transatlantischen Befehlshabern und den gehorsamen Soldaten in der EU. Daraus ergeben sich das blinde Drängen in einen neuen kalten Krieg mit Russland und das Schaffen eines inneren Feindes in Form der Türkei. ... Auch die Behauptung, der türkische Eingriff in Syrien sei ein Beweis für die ernsten strategischen und politischen Probleme der Nato, stimmt. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Ankara in Syrien lediglich das Solo der USA wiederholt hat und sich nun mit einer Blockade der anti-russischen Strategie gegen die Kritik und doppelten Standards der Nato wehrt. Nun finde in diesem Durcheinander jemand das Gehirn, das noch nicht tot ist.“
Deutsch-französische Uneinigkeit
Für die regierungsnahe Tageszeitung Sabah hat die Nato nächste Woche in London wenig zu feiern:
„Die unterschiedlichen Standpunkte Frankreichs und Deutschlands erhöhen die internen Probleme der Allianz. Diese Differenzen wurden 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer deutlich. Macron hinterfragt die Rolle der Nato bei der Verteidigung Europas. Er besteht vehement auf seinem Vorschlag, die EU militärisch und sicherheitstechnisch zu stärken. Dieser Vorschlag würde Frankreich nach dem Brexit die Möglichkeit geben, die EU militärisch zu dominieren. Merkel hingegen hat die von Trump gewünschte Erhöhung der Militärausgaben auf zwei Prozent auf 2030 verschoben und sagt, dass die Nato mit den europäischen Ländern zusammen stark sein muss.“