AKK wirft hin: Wohin treibt die CDU?
Nach dem Politbeben in Thüringen hat Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag angekündigt, ihr Amt als CDU-Vorsitzende abzugeben und nicht als Kanzlerkandidatin anzutreten. Sie könne weder eine Zusammenarbeit mit der AfD noch mit der Linken akzeptieren. Europas Presse fragt sich, welchen Weg die CDU nun einschlagen wird – und was ein Führungsvakuum nach Merkel bedeuten würde.
Die AfD wird sich nicht in Luft auflösen
Personelle Veränderungen in der Union werden die Frage nach einer Zusammenarbeit mit der AfD nicht verschwinden lassen, bemerkt Berlingske:
„Natürlich ist die AfD in ihrer jetzigen Form ungenießbar als Regierungspartner oder als parlamentarische Stütze einer Minderheitsregierung. Nicht zuletzt gilt das für Thüringen, wo die Partei unter Führung von Björn Höcke mit der Nazi-Vergangenheit flirtet. ... Die Frage ist aber, ob man sich nicht darauf einstellen sollte, dass die AfD eine ostdeutsche Volkspartei geworden ist, deren parlamentarische Daseinsberechtigung anerkannt werden muss. Trotz des Widerstands von Christdemokraten vor Ort fordern Merkel und SPD Neuwahlen in Thüringen. ... Solange es aus Merkels Richtung so klingt, als könne die AfD mithilfe moralischer Vorwürfe eliminiert werden statt mit Ursachenbekämpfung und konkreter Politik, wird AKK nicht der letzte bürgerliche Skalp der AfD bleiben.“
Chance für die Christdemokraten
Der Rücktritt ist für die CDU nicht unbedingt schlecht, findet allerdings Polityka:
„Es hat sich schnell herausgestellt, dass AKK, obwohl sie viel mit Merkel gemeinsam hat, weder die Verhandlungsgeschicklichkeit der Kanzlerin noch ihre politische List besitzt. Ihr Rücktritt ist für die Christdemokraten in der Tat eine Chance auf Neufindung. Es ist noch nicht bekannt, wer Kramp-Karrenbauer ersetzen wird, aber der neue Chef (mit ziemlicher Sicherheit ein Mann) muss die CDU vor dem Zerfall bewahren und entscheiden, welche Strategie gegen die AfD ergriffen werden soll, die vor allem im Osten stark ist - eine vollständige Abgrenzung oder doch eine begrenzte Zusammenarbeit?“
CDU könnte nach rechts rücken
Die Union steht nun am Scheideweg, meint De Volkskrant:
„Für viele CDU-Anhänger ist der Erfolg der rechts-nationalistischen AfD eine direkte Folge der Politik von Angela Merkel. Und Zusammenarbeit mit der AfD sehen sie als eine gute Chance, der Partei ihr konservatives Profil zurück zu geben. ... Die CDU ist wieder genau da, wo sie beim Parteitag 2018 stand. Am Scheideweg: Entweder geht die Partei geradeaus weiter oder sie biegt scharf rechts ab. ... Kramp-Karrenbauer wiederholte am Montag, die CDU sei nicht offen ist für eine Zusammenarbeit mit der AfD. Aber ob und wie lange diese Brandmauer standhält, hängt vor allem von ihrem Nachfolger ab. “
Ein Beben, das auch Europa erfassen kann
Die durch den Rückzieher ausgelöste politische Krise könnte sich über Deutschlands Grenzen ausbreiten, befürchtet El Mundo:
„Die Entscheidung hat Merkels ausgefeilten Plan für die Kontinuität ihres politischen Projekts über den Haufen geworfen. Und die Einheit der Konservativen bröckelt an allen Ecken und Enden, nachdem diese die Isolierung der Rechtsextremen in der Region Thüringen aufgegeben hatten. Das Schwerwiegendste wäre zweifellos, wenn sich dieses politische Beben auf Europa ausweitete. So eine ernste Führungskrise in dem Land, das am stärksten die Werte der EU gegen die sich ausbreitende Europafeindlichkeit verteidigt hat, könnte eine Instabilität bringen, die für das Gemeinschaftsprojekt nichts Gutes brächte.“
Deutsche Politik nun völlig unberechenbar
Auch Dnevnik kommt zum Schluss, dass der politische Umbruch infolge des Rücktritts in ganz Europa Wellen schlagen wird, analysiert Dnevnik:
„Kramp-Karrenbauers Rücktritt bestätigt, dass die politischen Entwicklungen in Deutschland seit Mitte letzter Woche eine eigene Dynamik entwickelt haben und völlig unberechenbar geworden sind. Das ist nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa schlecht. Schlecht für den Europäischen Rat, die Kommission und auch allgemein. Angela Merkel steht wie ein Reh auf einer Lichtung und ihr Sturz (den die AfD heute bereits zum nächsten kurzfristigen Ziel erklärt hat) wird für nationale populistische Parteien in ganz Europa Wind in den Segeln sein.“